• 19. April. 2011 /  Chile, Südamerika

    Der kleine Norden 27. 2. – 14. 4. 2011

    Es ist der 27. Februar, wir reisen zum 6. Mal in Chile ein. Auf dem Weg vom Paso Agua Negra nach La Serena, einer grossen Küstenstadt, biegen wir noch ins Valle Elqui ab, um einen ruhigen Schlafplatz zu finden. Das Elquital ist berühmt für seinen Weinanbau. Beinahe unmöglich erscheint es uns, mitten in dieser Gebirgswüste ohne Wasser im steilsten Gelände Trauben zu kultivieren. Und was für Trauben, so süss und fruchtig wie noch nie probiert. Weit hinten im Tal im Örtchen Pisco Elqui wird der gleichnamige Schnaps, ähnlich wie Grappa hergestellt. In dieser Gegend regnet es so gut wie nie. Die einzige Feuchtigkeit kommt durch den morgendlichen Nebel, der entsteht, wenn sich die warme Wüstenluft nachts über dem kalten Meer kondensiert.

    Hier gibt es auch die grösste Ansammlung von Observatorien, denn nirgendwo ist der Himmel an 350 Tagen und Nächten im Jahr so klar wie hier.

      

    Wild zu stehen ist hier in diesem engen Tal unmöglich und was wir hier wieder an überfüllten Campingplätzen antreffen ist grauenvoll. Doch nur noch 24 Stunden, dann sind auch hier in Chile die Ferien vorbei.

    Tatsächlich: auf dem Camping Glarus in Paihuano, geführt von der Enkelin eines Glarners der vor 60 Jahren ausgewandert ist, leert sich der Platz ab Sonntagnachmittag schlagartig und wir stehen praktisch alleine in dieser herrlichen Oase. Hier verbringen wir ein paar gemütliche Tage, baden im kalten Fluss, und geniessen die vielen wundervollen Früchte, die direkt vor unserer Tür im Überfluss reifen.

    Nach der spanischen Privatführung mit Degustation durch die Piscodestillerie, (morgens um 11.00 Uhr schon betrunken) ist das nächste Ziel die Stadt Vicuna. Wir wollen in einem der vielen Observatorien Sterne gucken gehen. Da die Sternwarte Mamalluca erst um 22.30 Uhr öffnet,  haben wir noch den halben Tag Zeit. Wir stehen verbotenerweise auf dem reservierten Parkplatz des Richters, direkt an der Plaza de Armas (parkähnlicher Dorfplatz) und beobachten das bunte Treiben. Dann geht es im Konvoi zum Observatorium und Hunderte von Touristen werden im 2 Stunden Takt die halbe Nacht durch diese doch eher spärliche Sternwarte geführt. Das einzige Fernrohr ist kaum stärker als unser alter Feldstecher, wir lernen aber viele neue Sternbilder kennen und bekommen Infos über das Universum, z.B. dass Syrius 200 x grösser als unsere Sonne und der hellste Stern am südlichen Himmel ist, oder je roter ein Stern leuchtet, desto älter ist er.

      

    Um ein professionelles Observatorium zu besuchen müsste man sich schon Monate im Voraus anmelden. Nun ja, dafür durften wir dann auch gleich direkt vor der Kuppel schlafen.

      

    Ab an die Küste. Wir suchen und finden bei Lipigas unser Propan/Butan Gemisch, bestellen bei Toyota verschiedene Ersatzfilter und quartieren uns in Tongoy  auf dem Camping Ripipal direkt an der Beach ein. Franziska fliegt ja in 3 Wochen für 21 Tage ab Santiago in die CH, um die Familie zu sehen und den Kniedoktor zu besuchen. Also tranquillo, gemütlich, easy. Spazieren, sünnele, fischen, frische Meeresfrüchte essen und sogar wieder einmal in ein Restaurant gehen. Felix will unbedingt ein Wienerschnitzel mit Pommes, hier genannt Milanese y papas fritas. Wäääk, die Hunde freut‘s und wir kochen die nächsten Monate wieder selber.

      

    Am 10. März, es dauert immer nach 12 Tage bis zum Abflug von Franziska, brechen wir nach Los Molles 230 km Richtung Santiago auf. Dort hat Giorgio, ein Tessiner, ein Strandrestaurant genannt El Pirata Suiza und man könne dort gut stehen. Giorgio, ein herzlicher, strickender Plauderi stellt uns gleich alles frei zur Verfügung. Leider hat er kein hübsches Plätzchen für uns. Gemütlich vor dem Auto zu sitzen ist nicht möglich und der Innenhof ist die Toilette seiner Riesendogge. Wir bleiben trotzdem, da die Gegend wunderschön ist und wir so sehr willkommen. Abends sitzen die Restaurantgäste im Stübli vor dem Cheminée, Giorgio der Pirat strickt und hält Hof.

      

    Vier seiner Gäste sind Bolivianer, die, als wir nach Hause wollen, mit Handschellen am Hiddy stehen und massiv vom chilenischen PDI (FBI) verhört werden. Später wird das Auto dieser Jungs auseinander genommen und die Beamten finden sage und schreibe über 40 kg Kokain. Toll!

      

    Eine Nacht im Tsunamifieber:

    Wir bekommen Meldungen und Warnungen aus Europa. Von Japan käme ein Tsunami auf die Küste Südamerikas zu. Natürlich ist die „La Ola“ auch hier in Los Molles in der Bevölkerung das Tagesthema überhaupt. Das erste was wir mitbekommen, die Fischer ziehen ihre Boote über den Strand landeinwärts. Die Behörden melden eine ungefähre Ankunftszeit um 18.00 Uhr. Hidalgo steht sicher in einer geschützten Bucht und wir machen uns auf, die Bucht zu umgehen, um zum äussersten Zipfel der Küste zu gelangen. Einen Tsunami! Nicht dass wir eine Katastrophe wollen, aber wenn schon eine Riesenwelle kommt, wollen wir sie sehen. (Wir sind nicht unsensibel, aber zu dieser Zeit hatten wir keine Ahnung, was Schreckliches in Japan passiert ist)

    Auf einer ca. 70 m hohen Klippe sitzen wir bei herrlichem Wetter und harren der Dinge. Nein, es ist kein Harren. Das Naturschauspiel hier oben ist grandios. Vor uns ein weisser Felsen. Weiss vom Kot der vielen Kormorane, Geier und Pelikane. Rundherum dutzende, schreiende und vor allem stinkende Seelöwen. Draussen im Tiefwasser tummeln sich die Wale.

      

    Kawummmm! Plötzlich ein Knall, dann ein Fauchen laut und tief wie von einem Riesendrachen. Was war das? Es kam nicht vom Meer?

    10 m links von uns, 70 m über dem Meer endet ein kleiner Schlot im Fels mit Direktverbindung nach unten ins Wasser. Bei jeder Welle wird das Meerwasser mit ungeheurem Druck nach  oben ins Freie gepresst. Unglaublich spektakulär.

      

    Der Tsunami ist Gott sei Dank nicht gekommen und wir gehen mit dem Sonnenuntergang zurück ins Dorf. Dort eine grosse Hektik. Überall Polizei mit Blaulicht und Megaphon. Evakuation der ganzen Küste von Chile.

    Obwohl die Welle auf Hawaii „nur“ noch 2 m hoch war und noch viele 1000 km bis hier zurücklegen muss, wir sehr geschützt stehen, ….und weil wir nur einen Hidalgo haben, entscheiden wir uns, auch höhere Gefilde zu suchen. Wir finden zwischen Häusern, 50 m direkt über dem Meer einen ungefährlichen Platz, um alles beobachten zu können. Die Welle ist jetzt auf 24.00 Uhr angesagt.

    Doch daraus wird nichts, die Polizei räumt das ganze Dorf. Wir sollen über die Autobahn auf den Hügel zu den Anderen. Nur dort ist man sicher. Und tatsächlich, auf dem Hügel unweit vom Dorf mit Sicht auf den Strand, sieht es aus wie in einem Flüchtlingslager. Das ganze Dorf ist hier versammelt und macht sich für eine lange Nacht bereit. Omis werden von der Polizei angeliefert und ohne Nichts abgestellt. Wir bringen ihnen unsere Stühle, Wolldecken und Kaffe.  Draussen ist es dunkel und kühl geworden, die ersten Feuer werden entfacht, die Kinder verziehen sich in ihre Zelte und alle sind guter Dinge. Wir fragen noch, ob jemand etwas braucht, wie Tee oder Kaffee usw. und verziehen uns in unser Heim. Franziska serviert kurz darauf eine Megaportion Crevetten Cocktail in frischen Avocados.

    Hier merken wir wieder, dass Südamerikaner anders ticken. Stellen wir uns vor, Schweizer müssten mit diesem Damoklesschwert Tsunami leben und hätten bis zu ihrer Evakuation über 12 Stunden Zeit. Jeder hätte ein Zelt, Schlafsäcke, Essen, Trinken, einfach alles dabei, um eine Nacht unter den Sternen zu verbringen. Die Chilenen haben nichts, überhaupt nichts mitgenommen. Sie frieren, haben Hunger und Durst. Das mindestens einmal im Jahr. ???

    24.00 Uhr ist längst vorbei, nichts geschah. Um 02.00 sind wir zu müde um aufzubleiben und gehen ins Bett. 06.00 Uhr… wo ist dieser Tsunami? 08.00 Uhr, Entwarnung. Alle gehen glücklich und müde nach Hause. Wir nehmen 4 Signoras mit ins Dorf und sehen, dass der Strand nur wenige cm höher nass ist als am Tag zuvor.

      

    Wir sind jedoch immer froh von euch Warnungen zu bekommen, wir stehen ja nicht immer wenn Gefahr droht mitten in einem Dorf mit allen Kommunikationsmitteln.

    Die Tage vergehen. Einmal machen wir einen Ausflug an die südliche Küste, die Goldküste der Reichen von Santiago. Alles in Privatbesitz, Häuser so selbst im Tessin nicht gesehen. Hier stinkt es geradezu nach Geld. Campingplätze gibt es keine, man will unter sich bleiben. Aber ausser in den Sommerferien (Januar und Februar) steht hier alles leer.

    Am Tag der Abreise von Franziska lernt Felix noch den Chef des Tauchclubs kennen und ist kurz darauf mit ihm weit draussen im kalten Pazifik. Freier Abstieg im Big Blue zu einem Felscanyon. Genial, ganz etwas anderes als im Tropenriff. Es wimmelt von Leben. Krebse, Krappen, Garnelen, Fische, 15 m hohe Kelpwälder und am Boden Millionen von Seesternen. Auch viel schöne Nacktschnecken. Das Ganze bei sehr hohem Wellengang. So sind wir in wenigen Sekunden mal auf 17 m Tiefe dann auf 5m. Der Tauchcomputer dreht im Roten, meldet Alarm und macht auf Panik und wir Druckausgleiche ohne Ende. Leider können wir keinen Seelöwen sehen, die es hier in grosser Zahl gibt. Das nächste Mal. Am Abend fährt Giorgio Franziska nach Santiago und am nächsten Tag auf den Flugplatz.

      

    Felix zieht es zurück an den schönen Strand von Tongoy. Er hat Grosses vor. Hidalgo soll innen und aussen komplett gereinigt und überholt werden. Alles kontrollieren, Schrauben anziehen und vieles mehr. Er will viel Sport treiben und lange Wanderungen machen.

    Doch auch der schönste, einsame Strand wird mit der Zeit langweilig. Es wird Zeit weiter zu ziehen.

    Franziska hat in der Zwischenzeit die Schweiz in allerschönstem Frühlingskleid genossen, viel Zeit mit der Familie und Freunden verbracht und viel Nützliches für die Weiterreise eingekauft.

    Der liebe, strickende Schweizer, der versprochen hat, Franziska vom Flughafen abzuholen und nach Los Molles zu bringen, hat versagt und sich nicht mal abgemeldet. Franziska fackelt nicht lange, fährt mit dem Taxi in die City von Santiago und nimmt den Bus direkt zu Felix. So können wir uns endlich nach 24 Tagen am 13. März wieder in die Arme nehmen. Nun steht der Norden von Chile auf dem Programm.

    Wir bleiben vorerst noch einen Tag in Tongoy, um alles zu verstauen, was Franziska von der Schweiz mitgebracht hat. So z. B. ein Schüüfeli und Bäseli, weil die sowas hier nicht kennen. Oder ein Zigerstöckli, Schokolade, ein Fondue und vieles mehr. Dann endlich brechen wir am 15. März auf. Wir durchqueren die Atacamawüste. Diese Wüste gilt als die trockenste  Gegend der Welt. Seit Menschengedenken hat es hier keinen Niederschlag gegeben. Hier wächst im Gegensatz zu der Sahara überhaupt nichts mehr. Nur Sand und Stein so weit das Auge reicht.

      

    Dafür sehen wir viele Minen. Früher wurde hier im grossen Stil Salpeter abgebaut. Diese Minen sind heute nur noch Schrotthaufen und daneben sehen wir ganze Geisterstädte. Geblieben sind noch die Silber- und Kupferabbaugebiete.

      

    In Calama besichtigen wir die grösste Kupfermine der Welt. Unglaubliche 1500 Tonnen 99%-iges Kupfer werden jeden Tag aus diesem 3 km breiten, 5 km langen und 1 km tiefen Loch  abgebaut.

      

    Nach 4 Tagen in der Wüste mal auf Meereshöhe mal auf über 3600m erreichen wir San Pedro de Atacama, den Ausgangspunkt zur berühmt, berüchtigten Lagunenstrasse, die uns zum Salar de Uyuni in Bolivien führen soll. Leider erfahren wir erst hier, dass der gigantische Salzsee zum Teil immer noch unter Wasser steht. Das müssen die schlimmsten Niederschläge gewesen sein, als wir im Norden von Argentinien, unweit von Bolivien so verregnet wurden, dass dieser Salzsee im Altiplano immer noch unter Wasser steht. Eigentlich sollte ja jetzt dort alles knochentrocken sein. Wir müssen unsere Pläne ändern.

    Noch mehr Bilder zu Chile 5:

    Posted by franziska @ 19:55

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