• 14. August. 2011 /  Paraguay, Südamerika

    Von Nordwest nach Südost, 10.7. – 15.8.2011

    Eigentlich wollen wir dieses Land ca. 9,5 x so gross wie die Schweiz, mit nur 6,5 Mio. Einwohnern in 2 – 3 Tagen durchfahren und noch schnell einen Besuch bei der Familie machen, die wir auf dem Schiff nach Südamerika kennen gelernt haben. Diese Zeugen Jehovas Familie ist von Immenstadt in die Hauptstadt von PY ausgewandert, um ihren Kindern ein Leben mit weniger weltlichen Einflüssen zu bieten als es in Deutschland möglich ist. Mal sehen?

    Wir wollen nur schnell den Chaco queren, eigentlich nichts anderes als eine riesige, flache und staubige Dornenwüste durch die eine einzige Strasse führt.

    Doch genau dieser Chaco mit all seinen wenigen aber lieben und interessanten Menschen hat uns gepackt.

    Der Gran Chaco, d.h. keine Menschenmassen sondern Wildnis pur. Die gewaltige Fläche, grob unterteilt in die Palmensavannen des feuchten Chaco (die ersten 350 km westlich von Asunción) und die Dornenwälder des trockenen Chaco (der Rest), nimmt die gesamte westliche Hälfte Paraguays ein und erstreckt sich bis nach Argentinien und Bolivien. Ein Naturparadies in dem viele Vögel, Amphibien und Wildtiere leben aber nur 3% der Gesamtbevölkerung.

    3 Tage lang gehen wir im Nordosten im NP Teniente Agripino Enciso auf Wildpirsch bevor wir nach vielen km Erstgangschlaglochstrasse, die Mennonitenstadt Filadelfia im Herzen des Chacos erreichen. Raymondo Friesen, der Leiter des Hotels Florida lädt uns spontan bei sich zuhause zu einem perfekten Asado ein und wir erfahren viel über diese Mennoniten. Wir sind interessiert und besuchen das Infocenter, das Museum, und einige industrielle Anlagen. Vor allem die Erdnussfabrik ist ein „Genuss“. Frau Harder, eine sehr engagierte Mennonitin, Leiterin des Infocentrum und freie Journalistin des gemeindeeigenen Radios erzählt uns in vielen Stunden die Geschichte der Mennoniten. Was uns am meisten erstaunt: Der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli ist schlussendlich der Anlass, das diese deutsch- und russischstämmigen Mennoniten hier in der Dornenwüste gelandet sind.

    Mit Diktafon werden wir von Frau Harder im Hotelgarten über unsere Reise interviewt, mit dem Resultat, dass nach der Ausstrahlung im Radio ZP 30 mit einem Sendebereich von 600 km, uns jeder auf der Strasse erkennt und uns freundlich grüsst. Wir geniessen vor allem den deutschen Supermarkt. Lange ist es her, dass wir uns so mit Käse, dunklem Brot, Fleischkäse und Geräuchtem verwöhnen konnten.

    Am 2. Morgen in Filadelfia klopft es am Hidalgo und mit bernischem Dialekt werden wir vom Bienenernst in sein Dorf Rosaleda eingeladen. Ok, so fahren wir dann über 100 km zurück und dann noch 33 km nach links in den Busch. Wir wissen mittlerweile, dass sich hier im knochentrockenen Dornendschungel vor 15 Jahren ca. 20 Familien mit Kindern angesiedelt haben. Alles Selbstversorger mit einer eigenen kleinen Schule.

    Wir erwarten so ein kleines, sauberes, klischeehaftes Schweizer Dorf mit Zentrum, kleinen Chalets mit Geranientrögen im blumenreichen Vorgarten, mit rotweiss karierten Vorhängen, Dorfbrunnen, Trachtenverein und einem Migros. 🙂

    Wir finden in H-Form angelegte Erdpisten und alle paar hundert Meter (bis einige km) eine Einfahrt zu den Anwesen in den Busch.

    Hier bekommt man auch heute noch viel Land für ein Butterbrot, was diese Leute genutzt und sich zum Teil mehrere hundert Hektaren gekauft haben. Wir finden grosse und grössere Anlagen mit allem was wir uns in dieser Wüste nicht vorstellen können. Sogar einige Swimmingpools entdecken wir. Dabei gibt es in dieser Gegend weder fliessend Wasser noch Strom. Das Wasser kommt entweder aus den grossen Zisternen oder salzhaltig aus 250 m Tiefe. Den Strom gewinnen die Rosaleder vom Generator oder mit Solarzellen. Alle backen sie Brot, verarbeiten die eigene Milch zu Käse, Joghurt, Quark und metzgen zwischendurch irgendeines ihrer Tiere  von denen es hier überall nur so wimmelt.

    Unser Bienenernst übertrifft das alles noch mit Pfauen, Truthähnen, 50 Kühen, Wasserbüffel, Schafen, Schweine und einem grossen Gemüse- und Heilkräutergarten. Dann natürlich noch viele Bienenvölker, daher auch der Name.  Und wieder ändern sich unsere Pläne, wir bleiben und fragen, ob wir ihm etwas helfen können, da er ganz alleine so viel um die Ohren hat. Wir werden herzlich empfangen und zu tun gibt es hier wirklich genug.

    So bauen wir einen Rinderimpfsteg, fabrizieren Heilkräuterextrakt, malen Ausstellungstafeln, melken, füttern, kochen, putzen, schneiden Zuckerrohr und vieles mehr. Macht grossen Spass wieder einmal andere Muskeln zu spüren. Um bei Kräften zu bleiben, füttert uns Ernst reichlich mit all seinen gesunden Bienenprodukten.

    Dazwischen lernen wir die anderen Rosaleder kennen. Ein bunt gemischtes Völklein. Einer verschifft in Containern so viel Material aus Armeebeständen hierher, dass er „Die perfekte Werkstatt“ mit allem nur erdenklichem einrichten kann.

    Eine Andere ist eine begnadete Korbflechterin mit einem Atelier wie aus dem Bilderbuch. Sie hat sogar eine Lehrtochter nach Schweizer Lehrplan. Der Nächste besitzt einen kleinen Laden mit Beiz, wo sich alle 2 x die Woche treffen können. Eine geniesst schlicht und einfach mit ihrer Rente die Ruhe und ihr Sohn hütet die Häuser, wenn die Besitzer mal auf Heimaturlaub sind. Alle haben sie aber etwas gemeinsam: Hier haben sie ihre Ruhe und das Leben, das zu ihnen passt.

    Von allen werden wir warmherzig aufgenommen und schon nach kurzer Zeit kommt es uns vor, als hätten wir schon immer hier gelebt.

    Wir könnten hier Wurzeln schlagen, wenn nur dieses vom Wind beherrschte Klima nicht wäre. Es gibt nur 2 verschiedene Winde. Entweder der heisse vom Norden oder der kalte vom Süden. Das heisst, im Winter kann es mit Nordwind locker über 35° werden und am nächsten Tag herrscht mit Südwind Frost. Im Sommer sind Temperaturen über 45° die Regel. Das Ganze mit viel Staub vermischt, macht es, wenigstens für uns, zu keinem wirklich gemütlichen Cocktail.  Aber eine tolle Erfahrung ist es auf jeden Fall.

    Zum Abschluss dieses 16-tägigen Rosaleda –  Aufenthalts feiern wir noch zusammen den 1. August mit allem, was dazu gehört. Das Feuer sticht 10 – 20 Meter in den klaren, kalten Nachthimmel, während die Würste und Rinderhälften auf dem Grill schmoren. Die Ansprache von  Frau Bundespräsidentin Micheline Calmy Rey wird verlesen, die Hymne fast auswendig gesungen und Felix spielt auf zum Tanz. Würden uns hier nicht überall Skorpione, Gürteltiere, Korallen- und Klapperschlangen begegnen, hätten wir das Gefühl, irgendwo auf dem Hauenstein zu feiern.

    Zwei Tage später treffen wir in der Hauptstadt Asunción ein und bekommen einen Stellplatz vor dem Haus unserer Bekannten.

    Asunción wird in kurzer Zeit abgehackt, da es für uns die bis jetzt wohl hässlichste Stadt auf diesem Kontinent ist. Die Innenstadt ist verlottert und wirkt leblos, die Geschäfte sind in grossen, modernen Shoppingcentren konzentriert und besondere Sehenswürdigkeiten gibt es keine.

    Wir treffen aber den Schweizer Christian König aus Rheinfelden (Papierhof), der schon lange hier lebt und werden für Sonntag in den Schweizer Club zur verspäteten 1. Augustfeier eingeladen. In einem wunderschönen Privatpark 70 km östlich der Stadt werden Berner Platte, Käsefondue und „Trittst im Morgenrot daher“ serviert. Die Ansprache von Calmy Rey wird hier auf Spanisch verlesen, da nur noch wenige der schweizerischen Landessprache mächtig sind. Wir verziehen uns bald, dürfen wir doch auf diesem Parkgelände übernachten.

    Weiter geht es der argentinischen Grenze entgegen. Viel Farm-und Weideland in hügliger Landschaft. Übrigens: einen richtigen Berg, so etwas höher als 400 m sucht man im ganzen Land vergebens. Auch ist es speziell für uns, dass wir viel mehr deutsch- oder schweizstämmige Menschen getroffen haben als Paraguayer.

    Im Camping Manantial in Hohenau nahe der Grenzstadt Encarnación werden wir richtig überrascht.Nicht
    nur, dass es ein perfekter, preiswerter mit allem Komfort eingerichteter Camping ist, sondern wir entdecken (und das finden jetzt nur reisende südamerikanische Insider spannend), den grünen Merzedescamper von Joseph. Den hat er hier für viele Euros dem Campingplatzbesitzer verkauft und ist nach Hause geflogen.

    Wir verbringen hier noch ein paar Tage, bevor wir Ruth und Walter in Uruguay treffen, um mit ihnen nach Brasilien in den Pantanal zu ziehen.

    Zur Galerie Paraguay 1

    Posted by felix @ 19:50

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