• 12. Oktober. 2011 /  Brasilien, Südamerika

    Episoden aus dem Herzen Brasiliens, oder:

    Wie wir beinahe verdursteten, von Mangos erschlagen und zu Tode gefüttert werden. 25. 9.  – 8.10.2011

    (für Martin)

    Ca. 1500 km weiter östlich, ein paar 100 km nördlich der Hauptstadt Brasilia steuern wir eine Hochebene an, die uns Natur, klare Flüsse und Wasserfälle verspricht. Doch dazu müssen wir, wollen wir nicht auf schrecklichen Pisten rumpeln, auf die Nationalstrasse 153. Das ist die Hauptverbindung vom Grossstadtmoloch Saõ Paulo nach Belem, der Stadt an der Mündung des Amazonas. Sämtliche Güter, die von Süd nach Nord transportiert werden, rollen, da es in BR keine Züge gibt, auf dieser Strasse. Im Verhältnis 10 LKWs : 1 PKW ist das der pure Wahnsinn! Diese LKWs fahren nicht etwa einfach ihren Zielen entgegen, nein es ist ein ständiges, grosses Elefantenrennen. Geht es bergan, kriechen die 35 t Trucks im Schritttempo vor uns, um auf der anderen Hügelseite mit über 100 km/h im Leerlauf und ohne Sicht nach Vorne runter zu donnern. Hier heisst es für uns einfach nur: Anpassen und versuchen mit zu halten.

    Übernachtet wird, da sonst keine anderen Möglichkeiten, an den Tankstellen. Diese sind aber mit allem Komfort ausgerüstete riesige Versorgungsstellen mit Schattenplätzen, Restaurants, Duschen und allem, was so ein Fernfahrer braucht. Schafft man es, den ständigen Motorenlärm aus zu blenden, kann man hier sicher und gratis schlafen. Drei Mal hatten wir  bis jetzt dieses Vergnügen und es war auszuhalten.

    Der NP Chapada dos Veadeiros ist ein Schaufenster des einzigartigen Cerrado – Hochlands. Unter einem strahlenden Himmel tummeln sich Mähnenwölfe, riesige Ameisenbären und Nandus (südamerikanische Emus), während Canyons, Wasserfälle und Honigpalmhaine, die wie Oasen anmuten, sich zu einer sagenhaften Landschaft vereinen. So der Reiseführer.

    Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Nur ein winziger Teil dieses Parks darf betreten werden und das nur wieder wie gehabt mit Führer auf einem 2 – stündigen Spaziergang auf breitem Weg zu  Canyons mit Wasserfällen. Mähnenwölfe, oder was auch immer, sehen wir so natürlich keine. Wir verstehen aber langsam, warum die Brasilianer geführt werden müssen. Die meisten dieser städtischen Touristen sind in der freien Natur schlichtweg überfordert. So unternehmen sie diese Wanderungen in blütenweissen Strandfähnchen mit Flipflops, müssen auf jede Bodenunebenheit oder tiefhängende Äste hingewiesen werden, um sich nicht zu verletzen. Sie füttern trotz Verbot die Fische mit Essensresten und würden vermutlich auch ihren Müll liegen lassen. Viele von ihnen können kaum oder gar nicht schwimmen und wir bestaunen teils verwundert, teils belustigt, wie sich junge Leute mit Schwimmwesten ausgerüstet im knietiefen Wasser tummeln.

    Obwohl diese Wasserfälle einen Schweizer nicht aus den Socken hauen, geniessen wir die Szenerien und das kühle Nass sehr und folgen unserer Führerin im Gänsemarsch.

    Etwas für die Statistiker:

    1. Oktober 2011 Wir sind nun genau 1 Jahr in Südamerika. In dieser Zeit haben wir 35‘400 km zurück gelegt. Trotzdem wir an vielen Orten recht lange geblieben sind und uns Zeit gelassen haben, ergibt das einen Tagesschnitt von 95,6 km. 4666,85 Liter Diesel haben wir dazu verbraucht, das einem Schnitt von 13,18 l pro 100 km entspricht. Der günstigste Diesel mit Fr. 0,48 pro Liter und der teuerste mit Fr. 1.56 haben wir, wen wundert’s beide Male in Bolivien getankt. Der Schnitt in allen Ländern, die wir bis jetzt bereist haben, liegt um einen Franken pro Liter. Wir haben 217 Nächte auf Campingplätzen, 62 Nächte wild und 85 Nächte auf privatem Grund verbracht. Franziska hat mit ihren Gourmetmenus, den Butterzüpfen und Weihnachtsguetzlis 50 Liter Gas verbraucht. Die höchste (4630 müM) war gleichzeitig auch die  kälteste Nacht (-18°). Die heisseste im Dschungel von Bolivien mit 31° .

    Auf der anderen Seite des Parks, in Cavalcante finden wir bei Beatriz und Fernando und Familie den herrlichen Camping Canto do Brasil und wollen hier auf eigene Faust die Gegend unsicher machen.

    Der Himmel ist bedeckt, die Temperatur um die 38° und wir befinden uns im Aufstieg zum Morro do Cruz. Wir wollen zum Gipfel mit super Rundsicht und dann auf der anderen Seite runter zum Fluss. Wasser haben wir wie auf jeder Tour genügend dabei. Kurz vor dem Gipfel bricht die Sonne durch, Schatten findet sich kaum. Franziska kann nur noch eine Pause mit viel Wasser vor dem Hitzschlag retten, während Felix die Strecke zum Fluss rekognosziert. Kein Problem, einfach runter durchs Gemüse, dann auf dem kleinen Weg nach rechts und zuletzt gerade durch den Busch zum Fluss. Doch bei diesem Busch gibt es kein Durchkommen. Vom Berg aus gesehen war es eine grosse Wiese mit lichtem Baumbestand. Unten nun stehen wir in hüfthohem Schilf mit Dornen, sehen keine 20 m weit und wissen von kleinen aber sehr giftigen Schlangen. Alles zurück zum Weg, weiter diesem entlang bis wir endlich eine Piste Richtung Fluss finden und dieser folgen. Einige km weiter stehen wir ziemlich aufgelöst vor einer Pousada (kleines Hotel) und können dort unser Wasser auffüllen. Auch den Fluss haben wir gefunden und kühlen unser kochendes Blut darin lange ab. So schnell kann es gehen, hätten wir wohl einen Führer gebraucht?

    Die nächste Attacke auf unser Leben kommt am Abend auf dem Camping, wo wir unter riesigen Mangobäumen im Schatten stehen. Unmengen Mangos hängen direkt über uns und schon in einem Monat sind die Früchte reif. Doch soweit soll es nicht kommen. Wie aus dem Nichts fegt ein trockener Sturm über 5 Stunden lang durchs Tal. Wir werden richtig gehend mit Mangos bombardiert. Mit der Überzeugung, der Baum dürfte wohl bald keine Früchte mehr tragen, und weil wir zu faul sind alles einzuräumen, wollen wir Hidalgo nicht verschieben und Felix baut sogar noch Polster auf die Solarpanels und Dachfenster. Es knallt schrecklich, wenn so eine harte Mango aus 15 m Höhe auf unser Dach fällt, doch dann ist der Spuck vorbei. Am Morgen danach stehen wir in einem Feld aus Mangos. Schade, das wäre ein Schmaus gewesen.

    Der Schmaus kommt aber schon am nächsten Tag. Wir werden von Beatriz zum Essen eingeladen. Es gibt Pequi, eine Spezialität dieser Region. Die ganze Familie sitzt zusammen und geniesst diese kleinen gelben Bollen mit Hühnchen und Reis. Eine grüne apfelähnliche Frucht wird halbiert und die bis Golfball grossen gelb/orangen Kerne entnommen. Diese müssen dann am besten mit Reis lange gekocht werden. Beim Essen heisst es vorsichtig die weiche Schicht vom Kern knappern, da im Kern selbst höchst unangenehme Stacheln zum Vorschein kommen. Entweder man liebt Pequi oder man hasst sie. Franziska liebt sie auf jeden Fall.

    Wir lernen auch andere Früchte Brasiliens kennen, wie z. B. die Cashew. Bei uns bekannt als Cashew-Nuss. Dass dies aber keine Nuss ist, und warum so teuer erfahren wir hier. Jede Frucht trägt nur eine  „ Nuss“. Die muss man erst von der Frucht trennen, die äusserst schmackhaft ist und dann lange, lange rösten. Schliesslich wird sie aufgebrochen und die eigentliche „Nuss“ kommt zum Vorschein. Die Frucht kennen wir bei uns nicht, da sie nicht transportiert werden kann und schon kurz nach dem Pflücken verfault. Wir essen sie haufenweise und trinken ihren herrlichen Saft.

    Langsam müssen wir nun weiter, da offensichtlich hier die Regenzeit beginnt.

    Muss man die Hauptstadt Brasiliens, Brasília gesehen haben, wenn man schon mal in der Nähe ist? Nachträglich finden wir: nein, das muss nicht sein. Unser Navi ist wegen den unzähligen Autobahnkreuzen total überfordert. Wir auch. Keine Wegweiser, keine Strassennamen, alles nur Ziffern und Nummern der vielen Quadranten, die den Regierungssitz in Form eines grossen Flugzeuges umgeben.

    Ende der 1950er- Jahre realisierte der damalige Präsident von Brasilien eine 130-jährige Idee. Er nahm seinen Stadtplaner Costa und den Architekten Niemeyer zur Seite und zusammen realisierten sie  innerhalb von 3 Jahren mitten in der unberührten Pampa eine neue Hauptstadt mit Regierungssitz, und zwar in der Form eines übergrossen Flugzeuges. Rund herum entstand bald eine richtige Stadt mit vielen Einwohnern. Man muss wohl Architekt sein, um diesen Betongebilden etwas abgewinnen zu können. Wir schiessen für unseren Architekten Lolo ein paar Bilder und ziehen fluchtartig weiter.

    Zur Galerie Brasilien 3

    Posted by felix @ 18:01

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