• 15. März. 2013 /  Mittelamerika/Mexiko, Nicaragua

    Lateinamerika pur hat uns wieder, oder der ganz normale Wahnsinn, 19.2. – 10.3.2013

    Der wohl mühsamste Grenzübergang Lateinamerikas erwartet uns. So die Aussagen von Reisenden die aus dem Norden kommen und das sind erheblich mehr als aus der anderen Richtung. Nun denn, wohl gestärkt stehen wir um 08.00 Uhr bereits am Ausreiseschalter von Costa Rica. Das ganze Prozedere empfinden wir aber eher als „piece of cake“ und schon 90 Minuten später rollen wir auf bester Strasse unserem 1. Etappenziel in Nicaragua entgegen. Ob dies nun mit Glück oder Routine zu tun hat, wir wissen es nicht und sind einfach froh, es bereits hinter uns zu haben.

    Gegenüber den letzten 3 Ländern Kolumbien, Panama und Costa Rica fühlen wir uns hier wieder um einige Jahrzehnte zurück versetzt, was aber nicht heissen muss, dass es schlechter ist, ganz im Gegenteil. Ausser das die „Nicas“  mit uns Campern nichts anfangen können, oder besser gesagt, noch nicht. So ist es jeden Abend aufs Neue schwierig einen Schlafplatz zu finden. Campingplätze gibt es so gut wie keine, und bei den Hotels sind entweder die Einfahrten zu eng oder zu steil, die Parkplätze klein und direkt an der Strasse oder dann die Preise gleich, wie wenn wir uns ein Zimmer nehmen würden. Häufig bekommen wir auch schlicht die Antwort: Nein, hier könnt ihr nicht stehen. Wild zu Campen scheitert meistens daran, dass wir mit Hidalgo die öffentlichen Strände und Buchten nicht erreichen können. Oft führen nur Trampelpfade ans Wasser und befahrbare Wege enden bei einer kleinen Siedlung mit improvisiertem Restaurant, Meuten von Hunden und Hähnen, die eher in der Nacht als bei Tagesanbruch krähen.

    10 km nördlich von San Juan del Sur an einer schönen Beach des Pazifiks treffen wir das deutsche Paar Tanja (im 6. Monat schwanger) und Marki in ihrem HZJ 75 und entschliessen uns, zusammen die Vulkaninsel Ometepe im Lago Nicaragua zu erkunden. Anschliessend bleiben wir gleich die ganze restliche Zeit in Nicaragua zusammen.

    Nach Bezahlung von diversen dubiosen Gebühren, Steuern, Fährgeld und nochmals Gebühren wird uns ausgerechnet das kleinste Fährschiff zugewiesen. Bei dem starken Wind und den hohen Wellen müssen wir schon erst 2 x leer schlucken, denken dann aber, dass die ja nicht zum 1. Mal solche Fracht an Bord haben. Gespannt blicken wir während der Überfahrt zu den im Nebel liegenden Vulkanen.

    Man stelle sich vor, ein See, 15 Mal grösser als der Bodensee und mittendrinn eine Insel mit zwei wunderschönen, perfekt geformten Vulkanen. Dieses ökologische Juwel ist weitgehend unerschlossen, ein improvisiertes Ferienparadies mit furchtbaren Strassen und verschlafenen Ortschaften. Zwischen den Vulkanen Concepción, 1610 m und Maderas, 1394 m haben Lavaströme eine Verbindung und so die eigentliche Insel geschaffen, deren Name auf Nahuatl „ Zwei Hügel“ bedeutet. Auf dem Festland schon kaum Verkehr, sind wir hier so gut wie alleine unterwegs, da man sich hier ein Auto wohl einfach nicht leisten kann.

    Auf der Finca Magdalena, am Fusse des Maderas finden wir eine Stelle, wo wir einigermassen gerade stehen können und planen den Aufstieg zum Kratersee mit seiner grünen Lagune. Wir sehen, wie einige Rucksacktouris von dieser Tor-Tour zurück kommen und entschliessen uns, anstatt der Bergschuhe die Gummistiefel zu wählen. Allzu früh, wie gewohnt, dürfen wir nicht aufbrechen, da die Sonne ihre Zeit braucht, um die Wolken, die den Vulkan umgeben zu verbrennen. Immer wieder sind wir fasziniert von den verschiedenen Vegetationsstufen, die auf so einem Aufstieg zu finden sind. Wir starten im tropischen Gürtel, ziehen durch trockenen Bergwald und kommen in den triefend nassen Dschungel. Hier oben nieselt es beinahe den ganzen Tag. Dies führt dazu, dass der Trail eher einem lehmigen, steilen und rutschigen Bachbett gleicht und wir mit den Stiefeln eine gute Wahl getroffen haben. 3 Stunden brauchen wir für den Aufstieg und keine Minute weniger für den Abstieg. Wegen der Steilheit und den bis zum Teil hüfthohen Felsstufen, die es herunter zu springen gilt, schmerzen unsere Zehen danach ganz böse und die gesamte Wäsche, so wie wir, müssen sofort unter die Dusche. Der Proviant, sowie das Wasser wurde restlos gebraucht, dafür ist die Kamera gefüllt mit wunderschönen Eindrücken der Lagune, die plötzlich aus dickem Nebel in der Sonne leuchtet.

    Wir finden noch einen weiteren schönen Platz bei den Ojos de Agua (Wasseraugen), einem kristallklaren Weiher vulkanischen Ursprungs. Das Wasser kommt tief aus dem Innern der Erde und stösst durch eine dicke Sandschicht unterirdisch in das Becken. Nach einem Überlauf fliesst ein kleines Flüsschen Richtung Nicaraguasee. Und dieses Flüsschen ist die grosse Waschstelle der Einheimischen. Bis zum Bauch stehen die Hausfrauen im Fluss und schruppen auf in Stein zementierten Waschbrettern Berge von Wäsche. Dass die ganze Sauce natürlich danach in den See läuft, ist hier kein Thema, obwohl man weiss, dass der See schon lange sämtliche toxikologischen Grenzwerte überschritten hat.

    Auf dem letzten fehlenden Stück der Umrundung beider Vulkane sehen wir doch noch tatsächlich eine Zufahrt zu einem Strandplatz. Marki und Tanja fahren zurück ins Dorf und kaufen Fleisch, viel Fleisch. Wir sind froh diese schreckliche Strasse nicht 2 x fahren zu müssen und sammeln schon mal viel Holz. Viel Holz! Dann dürfen wir nach stundenlangem Brutzeln endlich wieder einmal ein niedergegartes Roastbeef à discrétion geniessen.

    Auf der Rückfahrt zum Festland kommt dann noch kurz Hektik auf, als die Fährencrew unsere Autos nicht festzurren will. Es würde schon gut gehen. Da wir aber wissen, dass auf dem See locker mal 2 m Wellen daher kommen können, bestehen wir darauf und zu Recht. Bei jeder Welle gerät dieser alte Kahn so ins Schaukeln, dass wir bestimmt mal an die Bordwand und gleich darauf an die dicht daneben geparkten LKWs geknallt wären. Marki und Felix beobachten die ganze 90 minütige Überfahrt ihre Fahrzeuge und sind erst beruhigt als die Fähre im sicheren Hafen steht.

    80 km weiter kurven wir ans Ufer des Kratersees Laguna de Apoyo herunter. Das leicht salzhaltige, handwarme und klare Wasser ist das einzige Wasser in dieser Gegend. Sämtliche Wasserfassungen werden ausschliesslich aus diesem Kratersee gespeist. Damit wird gekocht und damit wird die Wäsche gewaschen. Duschen sucht man hier vergebens, man geht einfach direkt in den See. Wieso der See ohne wirklichen Zu – und Ablauf noch so klar ist und warum er salzig ist, alles bleibt ein Rätsel. Niemand kann uns Auskunft geben, obwohl sie hier seit Generationen leben. Unser Plätzchen ist auf jeden Fall herrlich und wir kommen nach den Abstechern nach Granada, dem Vulkan Masaya und der Hauptstadt Managua insgesamt 3-mal aus verschiedenen Richtungen hier vorbei um Ruhe zu finden.

    In Granada parken wir im ruhigen Hafen und erkunden die eher kleine Kolonialstadt zu Fuss. Ein hübscher Zentralplatz, eine schmucklose Kathedrale samt grässlicher Lourdesgrotte, viele Gässchen und ein Mercadoviertel mit heillosem Durcheinander. Und als sich eine Marktfrau direkt vor den Essiggemüsebottichen ins eigene T-Shirt schnäuzt, vergeht mir der Einkauf.

    Im Nationalpark Vulkan Masaya gibt’s 2 Vulkane mit 5 Kratern und wir dürfen bis zu ihnen hochfahren. Der Krater Santiago ist aktiv und stösst ständig stinkende Schwefelwolken aus. Wir wandern um den Masaya und lassen uns auf eine Abendführung ein. Spannend sind die langen Wurzeln, die in die Lavatunnels hineinreichen und unzählige Fledermäuse. Der Blick in den Krater zeigt leider auch nachts keine glühende Lava, die Dämpfe sind einfach zu stark.

    Für uns gibt es nur einen einzigen Grund, in die wilde Hauptstadt Managua zu fahren, und dies ist unserer Runninggag, eine neue Felge und 4 neue Reifen. Mit dem 4×4 Autoshop Magma haben wir zwar eine Anlaufstelle, aber keine Adresse oder Koordinaten. Dies erhöht die Schwierigkeit den Laden zu finden um ein Mehrfaches, da 90 % der Strassen in Managua keine Namen haben und unser Navi eh keine Karte hat. Also suchen wir zuerst einmal die grösste Toyotavertretung, die normalerweise meist leicht zu finden ist. Fragt man nach einer Adresse, sollte man besser schon vorher wissen: Grosse Gebäude, Kreisel und Ampeln dienen als Orientierungspunkte. Zur Umschreibung eines Ortes gibt man die Richtung und Entfernung zu diesen Punkten an, und zwar meistens in Blocks. Als wäre das nicht kompliziert genug, gibt es inzwischen viele dieser Punkte nicht mehr, sodass man bei Adressangaben oft etwas von der Art, „ da wo früher das Kino stand… zu hören bekommt. Auch werden oft die Himmelsrichtungen genannt wie, al Lago (zum See) = „ nach Norden“, arriba (nach oben) = „nach Osten“ und abajo (nach unten) = „nach Westen“, wobei die letzten beiden sich am Lauf der Sonne orientieren. „Nach Süden“ heisst einfach nur Sur. Wenn man also hört: „ Del antiguo Cine Dorado, una cuadra al Lago, dos cuadras arriba“, bedeutet das: „Vom alten Kino Dorado einen Block nach Norden, dann 2 Blocks nach Osten.“ Verwirrt?!

    Wir können es nicht fassen!!! Wir haben die Bude gefunden und SIE HABEN BF GOODRICH REIFEN UND… JESSS, SIE HABEN SOGAR EINE FELGE!!! Wieder einmal machen wir auf offener Strasse ein Tänzchen. Zigfaches Fragen in hunderten Garagen, Ersatzteillagern und Felgenbuden in 9 verschiedenen Ländern haben uns ins Zentrum von Managua geführt. Glück auf, auch darauf, dass wir bis jetzt noch nie einen Plattfuss hatten. Wir schlafen direkt vor der 4×4 Bude in einer Seitenstrasse im Zentrum und das sogar noch recht gut.

    Wieder perfekt ausgerüstet scheuen wir uns auch vor der übelsten Zufahrt für einen Nachtplatz an der Beach nicht und verbringen noch ein paar gemütliche Tage mit dem deutschen Paar, bevor wir nach Honduras aufbrechen. Franziska kann es auch hier nicht lassen (Gott sei Dank) und bäckt Brot, verkocht Früchte zu Marmelade und impft Milch für frischen Joghurt.

    40 km vor der Grenze biegen wir von der Hauptstrasse ab, um beim Cañon de Somoto einen Nachtplatz zu finden. Sofort werden wir von Tourguides umringt, wir müssten unbedingt die Cañontour machen und schlafen könnten wir locker unten am Fluss. Ja wenn‘s denn sein muss! Wir buchen bei einem „muy simpático amigo“ die mittlere 5 Stunden/ 12 Dollar Tour und holpern die Geisterbahn schlechthin runter zum Fluss. Nicht mal der 1. Gang in der Untersetzung hindert, dass Hiddy ziemlich ins Rutschen kommt. Dann noch durch den Fluss und wir stehen mitten im beinahe trockenen Flussbett für eine ruhige Nacht. Der Sternenhimmel bei Neumond ist gigantisch und das Lagerfeuer macht die Szenerie perfekt.

    Morgens um 7 geht’s los durch trockene Wälder Richtung Río Coco. Felix prüft die Wassertemperatur und meint, er würde da nur hinein, wenn‘s unbedingt sein muss. Leider muss er schon bald das Klettern an den Felswänden aufgeben, da die immer steiler und glatter werden und mit lautem Geschrei springt er ins kühle Nass. Die Schlucht wird immer enger und wilder und die Schwimmstrecken länger. In der Mitte der Schlucht warten wir in einer Felsnische auf die Sonne, die täglich nur eine Stunde in die Schlucht scheint. Nach einem Sprung vom hohen Felsen geht es weiter, bis der Cañon sich langsam wieder öffnet und unsere wunderschöne Tour sein Ende findet.

    Am Abend werden wir noch von einer Gruppe Offroadfahrern besucht und haben einen regen und freundlichen Austausch. Natürlich meist übers Offroaden. Offensichtlich hat es sich herum gesprochen, dass 2 verrückte Ausländer es gewagt haben zum Fluss runter zu fahren.

    Was für ein glorreicher Abschluss für Nicaragua. Ausser dass die Nicas wirklich nichts mit uns Campern anfangen können, hat uns dieses Land sehr gut gefallen. Einzig die Strassensperre bei Tipitapa, wo vermummte Jugendliche die kommenden Fahrzeuge mit Steinen bewarfen. Wir haben das aber rechtzeitig erkannt, gewendet und eine andere Strasse genommen.

    Hier geht’s zur Galerie Nicaragua

     

    Posted by franziska @ 22:35

Comments are closed.