Durch die Berge nach San Miguel de Allende, 6.6. – 21.6. 2013
Es ist Montag. Wir haben im Buch „Kulturschock Mexico“ gelesen: Es kann schon vorkommen, dass am Montag nicht alle Angestellten zur Arbeit erscheinen, schliesslich hat man ein anstrengendes Wochenende hinter sich und muss sich erholen. Tatsächlich hat dies hier so eine grosse Tradition, dass die Chefs ihre Läden, Garagen und Anderes schon gar nicht öffnen. Sie sitzen vor dem geschlossenen Geschäft und vertrösten die Kunden auf mañana. Als wir einen darauf ansprechen und auch erzählen, was einem in der Schweiz mit solcher Arbeitsmoral geschehen würde, schüttelt er nur resigniert den Kopf. Er würde seine Jungs nach jedem Montag zurecht- stutzen, es nütze aber rein gar nichts. Wir sollen doch Morgen wieder kommen. Viva Mexico!
Der “ Klaus‘sche Tipp“ zu den versteinerten Wasserfällen zu fahren, ist bestimmt der Tipp des Monats oder gar des Jahres. Wir folgen zwar, leider, nicht dem GPS sondern den Wegweisern und werden über eine Lochpiste vom Übelsten über einen 2300 m hohen Berg zum Ziel geführt, was wir nur mit Untersetzung schaffen. Hätten wir auf das GPS gehört, wären wir auf guter Strasse und eine Stunde früher bei den Hierve (hervir = kochen, sprudeln) el Agua eingetroffen. Warum wir es da so eilig hatten? Ein bösartiges Gewitter war uns direkt im Nacken, und wenn sowas losgelassen, werden in Minuten Bergpisten zu reissenden Flüssen. Wir schaffen es, genau 3 Minuten vor Schleusenöffnung an der Abrisskante der Steinfälle zu parkieren und können durch die Fenster knapp sehen, wie in Sekunden das Zelt eines Franzosen in den Fluten untergeht. Bald aber lässt der Regen nach und wir können im letzten Tageslicht erkennen, an was für einem spektakulären und wunderschönen Platz wir gelandet sind.
Weder in einer unserer 3 Landeskarten noch in unseren Reisebüchern findet man diesen Ort, doch es ist ein Naturschauspiel der Sonderklasse. Vier kleine, leicht schwefelhaltige Quellen blubbern aus dem Berg, das mineralhaltige Wasser trocknet unterwegs und hat mit der Zeit einen versteinerten Fall hinterlassen mit gigantischen Ausmassen. An der Kante haben sich Becken gebildet, wo wir herrlich schwimmen können und auf einem kleinen Trail können wir die Fälle sogar umrunden. Wir sind begeistert.
Im Land des Mescal
Man nehme eine mindestens 6-jährige Agave, schneide ihr die Blätter bis an den Strunk ab und werfe diesen für 24 Stunden unter glühende Kohle. Danach wird er mit dem Steinrad zu Matsch zerstossen. Mit Wasser in einem Holzzuber gärt die Masse eine Woche vor sich hin. Zuletzt wird alles abgesiebt und der Sud 2 x destilliert. Der so gewonnene Schnaps mit ca. 80% Alkohol wird jetzt mit Wasser verdünnt und, oder mit Aromen und Rahm aufgewertet. Wir kaufen eine Flasche Mescal, Licor de Agave Cafe mit 38% Volumenprozent und finden ihn köstlich. Hicks!
Weiter geht es auf einer Hochebene vorbei an einem Weberdorf, bekannt für seine naturfarbigen Wollwebereien, am angeblich grössten Baum der Welt mit einem Stamm-Umfang von 50 m, mehreren Ruinen der Mixteken, Zapoteken, Tolteken, Azteken, sowie auch Apotheken und ähnlicher Mayageschichten. In Oaxaca wollen wie ein paar Tage stoppen, um „unsere Reisebatterien“ auf zu laden und lernen dabei eine weitere freundliche und hübsche Kolonialgrossstadt kennen.
Zwischendurch machen wir einen Ausflug an die Pazifikküste, in das kleine und nette Dörfchen Zipolite neben Puerto Angel. Ein perfekter Ort, um ein paar Tage Beachlife zu geniessen, wäre nur das Klima wenigstens ein bisschen gemässigter. Die schwüle Hitze ist extrem. Trotz offener Türe und allen Fenstern und laufendem Ventilator bringen wir es nicht unter 30° und 85% Luftfeuchtigkeit in der Nacht. Der Berg ruuuft!!! Auf dem Weg zurück fahren wir eine gute Stunde an einem der wohl grössten Windparks der Welt vorbei mit tausenden riesigen Windturbinen. Staun!!
Nochmals zurück zum Bericht Mexico 1, zu den Schwellen, oder für Leute die gerne flüssig Auto fahren.
Wir fahren die 300 km von Zipolite auf 0 m am Pazifik über die 2300 m hohe Sierra Madre de Miahuatlán zurück nach Oaxaca auf 1590 m. Die Strecke kann verglichen werden mit Zürich über den Gotthard nach Mailand. Nur halt immer auf der kleinsten Landstrasse. Wegen den 247 Schwellen brauchen wir dazu 9 Stunden. Oder anders ausgedrückt: alle 1,2 km, oder alle 2,18 Min. stoppen und im 1. Gang anfahren. Das ist echt hart! Tage später brechen wir diesen Rekord schon vor dem Mittag als wir mit dem 100sten km bereits 135 Schwellen hinter uns haben. Keine Angst, ab jetzt zählen wir nicht mehr!
Eine Nacht verbringen wir mitten in der riesigen Reserva de la Biosfera Tehuacan – Cuicatlan unter Millionen von Sonora Kakteen. Das Klima lädt uns endlich wieder einmal ein, eine lange Wanderung durch die erodierten Canyons zu machen.
In Cholula haben die Spanier auf der höchsten Pyramide von ganz Mexico, die völlig unter Erdreich verborgen ist, eine Kirche hingestellt, weshalb nur kleine Abschnitte von den Archäologen ausgegraben wurden. Sie bietet aber mit vielen unterirdischen Gängen und einer tollen Aussicht doch noch etwas. Von der Kirchenplattform sehen wir direkt vor uns den seit ca. 3 Monaten wieder vermehrt aktiven Vulkan Popocatépetl. Immer wieder stösst er kleine Aschewolken aus, die gleich darauf im Winde verwehen. Von Cholula nach Amecameca führt eine kleine Schotterstrasse am Fusse dieses 5452m Vulkanriesen vorbei und wir wollen da hoch, um uns dieses Spektakel aus der Nähe an zu sehen.
Was nun folgt ist für uns beide das wohl spektakulärste Naturerlebnis in unserem ganzen Leben.
Im Dezember 1994 begann der Popo zum 1. Mal seit 1921 wieder feine schwarze Asche auszublasen. Seitdem kommt er nicht mehr richtig zur Ruhe. Dass er von Zeit zu Zeit zu qualmen pflegt, führte zu seinem Namen (Rauchender Berg) aber die aktuelle Gefahr eines Ausbruchs hat seitdem in regelmässigen Abständen die Evakuierung von Tausenden von Familien zur Folge. Zwar stösst der Popo, Jahr für Jahr Hunderte von Tonnen Schwefeldioxid aus, aber der periodisch auftretende Ascheregen, begleitet von einem heftigen Grummeln im Bergmassiv, könnte, so schätzen Fachleute, einen ganz grossen Ausbruch ankündigen. Den letzten bedeutenden Ausbruch datieren die Chronisten ins Jahr 1802. (Zitat aus Reisehandbuch Mexiko von Dumont)
Wir starten vor Sonnenaufgang und schrauben uns langsam zum Visitercenter am Osthang des Popos auf 3700m hoch. Unterwegs sehen wir immer wieder, wie grosse dunkle Aschewolken aus dem Krater schiessen. Oben packen wir unser Picknick und wandern gemütlich auf einen kleinen Hügel mit bester Aussicht auf die Action. Wir liegen im hohen Gras und bewundern die Gas- und Aschewolken und das Panorama schlechthin. Da es nach dem Mittag Zeit für einen Kaffee wird, gehen wir zurück zum Hiddy. Gemütlich in unserer warmen Kabine schaut Felix mit der Kamera bewaffnet immer wieder zum Krater hoch, wollen wir doch nichts verpassen. Und da passiert es!
Ein Rütteln und Schütteln geht durch unseren Hidalgo und im gleichen Moment ist auf dem Berg die Hölle los. Eine gigantische schwarze Aschewolke stösst aus dem Krater und tausende kleine Staublawinen lösen sich am ganzen Berg. Dann folgt der unglaublich laute Knall.
Der Popocatépetl ist ausgebrochen,… und wir stehen direkt davor.
Link zu unserem Film vom Ausbruch
Auch Tage später können wir es nicht fassen, das erlebt zu haben. Die Faszination dieses Schauspiels ist so gross, dass wir uns, wie auch die Park-Rancher und Vulkanologen, erst später bewusst werden, in was für einer Gefahr wir uns befinden. Dann geht es aber plötzlich sehr schnell und der Berg wird geräumt. Beim Zusammenpacken schiesst Felix ein Foto nach dem Anderen. Die Aschewolke hat den Himmel verdunkelt und eine geschätzte Höhe von über 10‘000 m erreicht, während immer weitere Eruptionen Asche aus dem Krater schiessen lassen. Das letzte, was wir auf unserer Flucht sehen, ist, dass viele kleine Feuerherde die Grasflächen am Berghang verbrennen und die Wolke grösser und grösser wird.
Unten im Tal dann erfahren wir, El Popo habe sich wieder beruhigt, man müsse jetzt aber erstmal abwarten, um sicher zu sein. Thia, sicher ist man bei einem Vulkan wohl nie.
Zum Abschluss dieser ersten grandiosen Tour durch und über die Berge, die uns in einem grossen südlichen Radius rund um den 20 Millionen- Menschen- Moloch Mexico City führt, wollen wir mit dem Volcán Nevado de Tuluca noch einmal ganz hoch hinauf. Bei prächtigem Bergwetter sehen wir auf dem Gipfel am Horizont den wieder schlummernden Popo, während es später bei unserem Schlafplatz im Kiefernwald auf 3850 m die ganze Nacht in Strömen giesst und hagelt. Tage später erreichen wir San Miguel de Alliende wo, so hoffen wir, 4 brandneue Felgen auf uns warten.
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