• 6. November. 2012 /  Mittelamerika/Mexiko, Überfahrt

    Von Kolumbien nach Panama, 16.10. – 31.10.2012

    16. Oktober 2012. Wir stehen in einem hässlichen Hinterhof eines noch hässlicheren Hotels, direkt neben der 4- spurigen Küstenstrasse am Rande von Cartagena. Einen besseren Stellplatz konnten wir hier nicht finden. Alle warten hier auf ihre Überfahrten. Jemand mit viel Zeit könnte sich mal auf die Suche nach etwas Neuem machen.

    Das Frachtschiff nach Colón in Panama für Hidalgo wird auf 12.00 Uhr am 19.10. erwartet. Auf der Website marinetraffic.com sehen wir in Echtzeit, dass dieses Schiff, die Strait of Gibraltar, in Jacksonville in Florida vor Anker liegt. Sie kann also nie am 19. hier sein, zudem jetzt der Hurrikan Sandy via Cuba direkt dorthin rast. Wir machen uns noch keine Sorgen wegen unserem Segeltörn, wir können das Auto ja morgen am 17. im Hafen abgeben.

    Morgens um 7 Uhr wird Felix von unserem Agenten abgeholt, während Franziska im  Hotel Stil in der Altstadt eincheckt. Sie darf nicht mit in den Hafen. Zuvor haben wir Hidalgo reisefertig gemacht. Das bedeutet, alles, was sich in der Führerkabine demontieren lässt, muss raus. Sandbleche, Ersatzrad, Angelrute und Sonnenschirm im Stossstangenrohr kommen ebenfalls in die Kabine. Die Fenster werden verriegelt und die Tür mit zusätzlichen Stahlkabeln gesichert. Nur so kann man hoffen, dass nichts geklaut wird.

    Der Hafen erstreckt sich über 15 km der Küste entlang, unser Eingang gut versteckt hinter der Autobahn. Zwei Stunden lässt man uns warten, bis einer von plötzlicher Arbeitswut befallen ruft: „ Adelante“. Nach 5 verschiedenen Büros und unzähligen Formularen, Fingerabdrücken, Fotos, Stempeln und Unterschriften (auf einem der Zettel zählt Felix 17 Stempel) muss er irgendeinem Hafenarbeiter den Autoschlüssel in die verschwitzte Hand geben. Wenn das nur mal gut geht? Anhand einer netten, ans Steuerrad geklebten Karte mit Foto von uns, bitten wir um Vorsicht, da dies unser Zuhause sei.

    Jetzt muss Hidalgo nur noch durch die Drogenkontrolle.

    Doch,…… oh Schock,….. die wird erst am selben Tag durchgeführt, an dem das Schiff im Hafen ist. Hallooo??? Warum hat uns dies niemand gesagt? Unser Frachter steht in Florida, es ist Freitag, am Sonntag arbeitet hier niemand und am Montag um 08.00 Uhr fährt unser Segler. Wir sehen unseren Törn, den wir schon vor Monaten gebucht haben, in den Fluten der Bürokratie regelrecht untergehen. Und tatsächlich, 2 Tage später dümpelt die Strait of Gibraltar immer noch irgendwo in der Karibik herum, während wir versuchen die Policía National Antinarcotica zu überreden, für uns eine Ausnahme zu machen. Keine Chance.

    Wir können es kaum fassen, schütteln immer wieder unsere Köpfe, toben, sagen den Trip auf der Stahlrate ab und überlegen uns, welchen Flug wir nach Panama City buchen sollen. Ein Ersatz – Segelboot zu suchen, steht wohl ausser Frage, da alle anderen als Halsabschneider und Abzocker bekannt sind. Kosten viel und bieten nichts, sind überbucht oder sogar hochseeuntauglich.

    Von einem argentinischen Strassenmusikant bekommen wir aber den Tipp, wir sollten es doch bei Bluesailing versuchen, er habe dort nur Gutes gehört. Im Office der Amerikanerin Laurel lassen wir uns nach kurzer Zeit überzeugen, wagen es ein 2. Mal und buchen für den 25. Oktober auf dem Katamaran Nacar.

    Am 24. findet endlich die Drogenkontrolle statt, obwohl der Frachter noch im 250 Meilen entfernten Baranquillo steht. Also ist dieses Gesetz doch nicht so in Stein gemeisselt. Hatte man einfach keine Lust, diesen Gringo abzufertigen? Was spielt das für eine Rolle, ob der seinen Segeltörn verpasst…, Nun denn.

    Frisch rasiert und in seinen besten Kleidern (dies muss sein, will man nicht gleich als unflätig und kriminell gestempelt werden), steht Felix mit seinem Agenten im Hafen, wo man sie erst mal wieder 2 Stunden warten lässt. In der Sonne! Irgendeiner winkt uns dann durch die Sicherheitsschranken und lässt uns wieder warten. Uns wird es zu bunt. Der Agent sucht die Drogenpolizei, Felix Hidalgo.

    Auf dem Weg dorthin kommt ihm ein freundlicher Polizist entgegen: „ wo er die ganze Zeit wohl stecke???“ Die Kontrolle beginnt. Ersatzrad raus und jedes Schränkchen öffnen. Alles will er sehen, wirklich alles, es ist 35° in der Kabine, doch er ist äusserst korrekt und anständig. Während der Kontrolle schenkt er Felix sogar noch sein schönes Halstuch mit dem Antinarkotikaemblem, Toll, er bekommt dafür von uns ein kleines Victorinox. Nun muss Felix nur noch aus dem Weg gehen, damit der grosse Drogenschäferhund alle Ecken beschnüffeln kann und alsbald ist die Kontrolle abgeschlossen.

    Plötzlich entsteht grosse Hektik, als direkt vor Hidalgo ein 20 Fuss Container geöffnet wird. Der Schäferhund sitzt bei Fuss und macht keine Bewegung mehr. Dies ist sein Zeichen, etwas geschnüffelt zu haben, das nicht hier sein soll. Und tatsächlich steht Felix nach wenigen Minuten vor 1287 1 kg Paketen Kokain die nun fein säuberlich in einem Quadrat von 25 x 25 m ausgelegt werden, damit die Presse schöne Fotos schiessen kann. Das Kokain wurde ohne gross zu tarnen in Ölkartons gepackt, in der Hoffnung, es wird schon gut gehen. Man schätzt hier, dass ca. 70 % sämtlicher Drogen aus Südamerika den Weg  in die USA schaffen. Kein Wunder wurden wir derart kontrolliert.

    Geschafft, jetzt müssen wir uns nicht mehr um Hiddy kümmern. So haben wir jetzt noch viel Zeit, die wunderschöne, koloniale Altstadt auf den Kopf zu stellen und in „Alles für 2.- $-Shops“ T-Shirts zu kaufen.

    Am 25. packen wir und fahren um 16.00 Uhr mit dem Taxi zum Jachthafen. Gemütlich räumen wir unsere Kajüte ein und warten auf die anderen Gäste, darunter ein nettes Paar aus Australien in unserem Alter. Morgens um 05.30 Uhr soll es nun endlich losgehen. Alle 12 Passagiere stehen an Deck, während wir den Hafen von Cartagena verlassen und wundern sich, dass die beiden Schweizer ganz aus dem Häuschen sind, als uns ein Frachter kreuzt. Sie wissen nicht dass eben die Strait of Gibraltar wenige 100 Meter an uns vorbei auf dem Weg zu Hidalgo ist. Ja, auf Frachtschiffe kann man sich verlassen.

    40 Stunden auf rauer, von den Ausläufern des Hurrikan Sandy noch aufgewühlter See, brauchen wir um das Karibikatoll San Blas zu erreichen. Wir haben die letzte Nachtwache übernommen und sehen  als erste, die im Sonnenaufgang auftauchenden kleinen Punkte am Horizont.

    Die über 350 San Blas Inseln werden von den Kunas bewohnt und verwaltet und sind geschützt. Wir fahren drei verschiedene Inselchen an und sind einerseits fasziniert von ihrer Schönheit, den perfekten weiss leuchtenden Stränden und dem klaren blauen Wasser und andererseits entsetzt über die Verwahrlosung. Überall liegt Müll und unzählige Bierdosen. Sobald der Kat vor Anker liegt, springen wir  mit unserer Schnorchelausrüstung ins Wasser. Auch hier, unter Wasser, stellen wir fest, dass diese Riffe ihre besten Zeiten schon lange hinter sich haben, sehen aber trotzdem einiges an Marinlife. Franziska bewundert zum 1. Mal, wie die megaschönen Adlerrochen vorbei fliegen, aber auch eine Geistermoräne, Stachelrochen, Sepias, Ammenhaie und jede Menge Langusten und grosse Krabben. Da die Inseln geschützt sind, dürfen wir die Langusten nicht selber fangen, doch der Kapitän kauft für uns gleich 2 x zu stolzen Preisen diese Delikatessen von den Kunas, für 5 USD pro Pfund.

    Bis auf wenige Details hat uns diese Passage ohne Aufsichtspflicht für Hidalgo gut gefallen. Von der Hauptinsel werden wir am 31.10. mit dem Taxiboot abgeholt und danach mit dem Jeep durch den Dschungel nach Panama City gebracht. Hier beziehen wir kurz nach Mittag unser Hostal Panamericana.

    Schon am nächsten Morgen holt uns die Panama-Agentin Tea im Hostal ab und fährt uns in die Hafenstadt Colón. Und hier beginnt eine Dilettantenschau, die jeden Reorganisator begeistern würde. Bei der Reederei müssen alle Formulare 2 x gemacht werden, weil Felix plötzlich Weining heisst, beim Zoll muss alles 3 x geschrieben werden, weil er wieder Weining heisst und plötzlich aus Schweden stammt, und beim Schalter für die Hafengebühren stehen über 100 Chauffeure und Schlepper, was auf eine Wartezeit von vielen Stunden schliessen lässt. Überall müssen wir geduldig bleiben und können nur innerlich humorvoll den Kopf schütteln. Es ist unglaublich, wie ineffizient hier in diesen Büros gearbeitet wird. Z.B. beim Zoll: Vor uns sitzt eine dicke, hochnäsige, gelangweilte Obertussi, die es schafft, während den 2 Stunden, die wir dort verbringen, nichts, wirklich rein gar nichts zu arbeiten. Nach 7 Stunden ohne Speis und Trank ist alles bezahlt, alles Papiere x Mal kopiert, unterschrieben und gestempelt. Wir fahren in jenen Teil des Hafens, wo Hiddy wartet, und sind sehr gespannt, wie er wohl die Fahrt überlebt hat. Doch auch hier lässt man uns noch einmal eine Stunde warten.

    Endlich ist es soweit! Hiddy wird von uns genau inspiziert: Alles perfekt, kein Schaden, nichts geklaut und das Klima im Auto ist auch gut, da wir die Kabine mit Entfeuchtungspatronen ausgestattet haben. Wir sind überglücklich. Bald sitzen wir im Führerhaus und fahren in den Jachtclub von  Panama City. Dies bedeutet eine komplette Landdurchquerung von Nord nach Süd, beziehungsweise von der Karibikküste zum Pazifik in 45 Minuten.

    Dort wird Hidalgo wieder reisebereit gemacht, alles muss zurück an seinen Platz und danach wird der Kühlschrank gefüllt. Um 22. 00 Uhr fallen wir erschöpft und zufrieden endlich wieder in unser eigenes Bett und sofortigen Tiefschlaf.

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