• 25. November. 2011 /  Brasilien, Südamerika

    Minas Gerais,  9.10. – 23.11.2011

    Vor knapp 6 Monaten haben wir bei den Geysiren in Bolivien auf 4600 m einen Österreicher kennen gelernt, der uns spontan zu sich nach Hause, in der Nähe von Belo Horizonte, eingeladen hat. Nun sind wir in der Gegend und wollen uns das nicht entgehen lassen. Wir freuen uns, wieder einmal mit jemandem zu sprechen, der uns versteht, da wir es aufgegeben respektive uns gar nie richtig bemüht haben, portugiesisch zu lernen. Kein einziges Wort wird hier nur annähernd so ausgesprochen, wie es geschrieben wird. Wir haben Dankeschön auswendig gelernt, das muss irgendwie reichen. Der Rest geht mit Händen und Füssen.

    Der grösste Bundesstaat Brasiliens ist die gebirgige Provinz Minas Gerais, übersetzt „Minen überall“. Diese Gegend ist reich an Bodenschätzen und Edelsteinen, welche im 18.Jh. grossen Reichtum brachten. Die Regionshauptstadt Belo Horizonte ist Ausgangspunkt für die Besichtigung diverser Barockstädtchen mit ihren zahlreichen goldverzierten Kirchen. Bevor wir Gunter und seine Frau Beatriz heimsuchen, stoppen wir für ein paar Tage in eben einem dieser Städtchen mit dem verheissungsvollen Namen Diamantina.

    Auf 1200 m klebt diese Stadt an  den steilen Hängen eines Hügels. Von Gunter bekommen wir aus dem Internet die perfekte Homepage eines Campings im Ort. Leider kennt hier kein Mensch diesen Platz, weder die Polizei noch die Feuerwehr. Alle sind sich sicher: sowas gibt es hier nicht. Auch das Zeigen der Page im Internet nützt nichts. So holpern wir diese kriminell steilen Steinplatten – Strassen rauf und runter, fragen hier und dort, werden fehlgeleitet oder vertröstet, bis uns endlich die glorreiche Idee kommt, bei der Telefonnummer auf der Page anzurufen. Und siehe da: kurz darauf stehen wir 10 Minuten vom Zentrum entfernt auf der anderen Talseite in einem Blumengarten und werden auf dem Camping Sao Pedro freundlich empfangen. Wir können nur hoffen, hier keine Feuerwehr oder Polizei zu benötigen…!

    Wirklich nett dieses Diamantina, mit seinen schmucken, bemalten Häusern, den verwinkelten Gassen mit Strassenkaffees und kleinen Läden. 50‘000 Menschen teilen sich hier über 15 Kirchen. Eine höhere Kirchendichte gibt es wohl nur noch in Ouro Preto. Dort gibt es eine Kirche, die mit 434 kg Goldstaub, das die Katholiken von den Indianern gebrandschatzt haben, verziert ist. Dieses von der UNESCO geschützte Städtchen besuchen wir aber erst später.

    Am folgenden Sonntag treffen wir in Alphaville auf einem Parkplatz Gunter, werden herzlich begrüsst und fahren zusammen zu seiner Dschungelvilla. Villa reiht sich hier an Villa. Das Geld verdient man in der 40 km entfernten Grossstadt Belo Horizonte, gewohnt wird hier. Nur mit Fingerprint und Ausweis kommt man an mehreren Sicherheitsleuten vorbei, in dieses mehrere km2 grosse, eingezäunte und stark bewachte Gebiet. Man ist unter sich, man fühlt sich sicher. Schon oft haben wir in Brasilien solche Anlagen gesehen. Offenbar ist das die Zukunft, um in Agglomerationen von Städten zu leben und der enormen Kriminalität auszuweichen. Wann werden wohl in der CH solche eingezäunten Siedlungen gebaut?

    Trotzdem ist es wunderschön hier. Wir bekommen auf der anderen Seite seines Baches, wirklich mitten im Dschungel das Gästehaus und schlafen seit 2 Jahren das 1. Mal nicht im Hiddy. Wir gehen Essen, besuchen Freunde und Sehenswürdigkeiten und Felix findet hier sogar Lust zum Zahnarzt zu gehen. Die ausgebissene Ecke eines Stockzahns muss geflickt werden und er bekommt für CHF 200.- ein perfektes Inlay.

    Gleich hinter unserem Häuschen entdecken wir ein Kolibrinest mit 2 Eiern. Kleiner und zierlicher geht es kaum mehr und wir würden gerne warten, bis die Jungen schlüpfen aber: Franziska fliegt morgen für 3 Wochen in die CH und Felix verzieht sich für diese Zeit zurück nach Diamantina.

    Für Franziska vergeht die Zeit in der Schweiz mit ihrer Familie und ihren Freunden im Fluge. Bei Felix nehmen diese 3 Wochen jedoch kaum ein Ende, trotz einiger Berg – und Klettertouren, Autoreinigung und mehreren Stadtbummeln. Die einzige (und völlig unnötige) Action ist, als gleich hinter dem Campingplatz vor den Augen von Felix, ein eifersüchtiger Gockel seine Frau erschiesst und mit dem 4. Schuss gleich noch sich selbst. Sobald die Polizei (sie hat den Camping nun doch gefunden!) bei der Befragung von Felix merkt, dass er kein portugiesisch spricht, wird der „Fall“ abgeschlossen, die Leichen weggebracht und man kehrt zur Tagesordnung zurück.

    Am 14. November gibt es auf dem internationalen Flugplatz von Belo Horizonte endlich unser Wiedersehen. Gemeinsam beschliessen wir, die Aufenthaltsbewilligung für Brasilien nicht zu verlängern, da wir beide von diesem extrem lauten Land genug haben. Brasilianer lieben Musik und Lärm in jeder Form. Sie lassen sich 24 Stunden am Tag damit berieseln und das in einer Lautstärke, die in jeder Disco in der Schweiz verboten ist. Sein Auto mit gigantischen Audioanlagen auszurüsten ist cool. Wir sprechen nicht von 100 oder 200 Watt. Hier baut man 2000 bis 5000 Watt Anlagen ein. Natürlich muss der Automotor beim Picknick weiterlaufen, damit die Batterie nicht in Sekunden leer ist. So haben wir mehrfach das Vergnügen, irgendwo an einem stillen See, manchmal mitten in der Nacht, oder wo und wann auch immer rücksichtslos in einer Disco Latino zu landen. Reklamieren nützt nichts, sie würden nie verstehen, dass uns Musik stört. So kann uns auch der schönste aller Strände in wenigen Minuten verleiden und wir flüchten an „ruhige“ Tankstellen.

    Wir sind uns bewusst, dass wir im Norden Brasiliens die schönsten Strände verpassen, haben aber keine Lust 1000e km innerhalb 3 Mt. zu fahren, um dann solche Szenen zu erleben, die in der jetzt beginnenden Hochsaison bestimmt eintreffen würden.

    Es bleiben nur noch wenige Tage bis unsere 3 Monate Brasilien abgelaufen sind. So nehmen wir mehr oder weniger die direkte Verbindung nach Westen zur Grenze von Paraguay. Danach soll es via Argentinien zurück nach Nordchile gehen. Wir hoffen im Chaco von Paraguay und in den Anden wieder ein bisschen Ruhe zu finden.

    Die Costa Verde zwischen Rio de Janeiro und Santos mit ihren herrlichen Stränden nehmen wir jedoch noch mit. Auch ist es doch etwas Besonderes für uns, mit dem eigenen Auto über die Copacabana in Río und durch das Gewusel einer der grössten Weltstädte wie São Paulo zu fahren.

    In Dourados nahe der paraguayischen Grenze suchen wir eine Toyotagarage, um endlich unsere Lenkung zu reparieren. Der Mechaniker schüttelt den Kopf: „nein, wir haben die Ersatzteile nicht, hier gibt’s keine Landcruiser.“ Glücklicherweise weiss er aber von einer Firma, die sich auf Getriebe und Hydraulik spezialisiert hat. Und tatsächlich! Unsere Servo wird kurzerhand ausgebaut, in ihre Einzelteile zerlegt, eines davon wird auf der Drehbank neu hergestellt, alles gereinigt, neu zusammengebaut, mit einer hochmodernen Maschine getestet, neu gespritzt und wieder eingebaut. Das Ganze dauert 7 Stunden und kostet uns 800 Schweizer Franken. Aber wie sind wir froh, dass Felix unseren Hiddy wieder problemlos um alle Schlaglöcher dirigieren kann!

    Wir verlassen dieses Land gerne, bekommt es doch auf unserer südamerikanischen Hitliste am wenigsten Punkte. Die Brasilianer sind freundlich und interessiert, laden uns ein, bekochen uns und wollen wissen, ob uns ihr Land gefällt, wir hatten keine einzige Polizeikontrolle, Fauna und Flora sind spektakulär. Aber die Distanzen sind riesig und führen tausende Kilometer über gerodetes Land mit Monokulturen, Campingplätze gibt es ausser an den Stränden kaum, vom wilden campieren wird dringend abgeraten und vieles ist überteuert.

    Zur Galerie Brasilien 4