• 25. September. 2015 /  Nordamerika

    Labrador, 19.8. – 30.8.2015

    Crocs L & NFL

    Der Trans Labrador Highway! Er soll eine der letzten grossen Herausforderungen im wilden Outback von Kanada sein. An jeder Tanke und in jedem Laden bieten sie Sticker, Caps und vieles mehr an, mit dem Spruch „Trans Labrador Highway Survivor“, ich habe diese Strasse überlebt! Ja, man überlebt sie nur knapp, aber das wegen der schier tödlichen Langeweile. Obwohl es doch so toll angefangen hat.

    Da wir auch die kanadische Grossstadt Québec umfahren wollen, nehmen wir die Fähre über den St. Lawrence Strom von Rivière du Loup nach St. Siméon. Noch bevor wir auf das Fährschiff fahren, sehen wir, nur einen Steinwurf entfernt, mehrere Beluga Wale. Wie kleine Eisberge leuchten sie mit ihren perlweissen Rücken im tiefblauen Wasser und heissen uns willkommen in Kanada. Auch auf der Nordseite des Stroms, wir folgen der Küste nach Nordosten, geht es weiter so. Auf der Fähre über den Saguenay River kommen zu den Belugas auch die grossen Wale dazu. Leider zu weit entfernt, um ein Foto zu schiessen, sehen wir die Blas von Mink, Fin und sogar den eines Blauwals, dem grössten je existierenden Lebewesen der Erde. Die Nährstoffe aus dem Fluss, die Mischung aus Salz und Süsswasser des St. Lawrence Stroms, gemixt mit den starken Gezeiten-Strömungen ergeben einen Cocktail, der die Kleinstlebewesen wie Krill, Garnelen und Plankton anzieht, wie das Licht die Motten. Die Wale haben ihre reine Freude daran.

    Belugas    Grounddog

    Im Küstenort Baie-Comeau beginnt der Trans Labrador Hwy, schnurgerade rauf Richtung Norden. Unser Navi freut sich auch schon und findet für uns eine den Ort umfahrende Abkürzung. Nur wissen wir nicht, dass dies eine Abkürzung und nicht der Beginn des Highways ist. Nachdem sie, die Tante vom Navi, uns durch ein hässliches Industriegebiet geführt hat, wird die Strasse schmal und holperig. Wir sehen auf dem Display, sie führt uns direkt auf den Highway. Es sind nur 10 km Naturstrasse, wir sparen deren 20, wenn wir ihr folgen und da schon einmal hier, fahren wir weiter. Es wird eine der übelsten Schlammstrecken überhaupt und beim letzten km geht gar nichts mehr. Franziska geht barfuss rekognoszieren und bei Oberschenkel-Wasserhöhe und im Schlamm einsinkend winkt sie Felix ab. Keine Chance, wir müssen zurück. Umdrehen ist unmöglich, da der Schlammpfad beinahe schmaler als unser Radstand ist. Also rückwärts bis sich endlich eine Stelle findet, wo wir mit 10 x rangieren drehen können. Das Navi hat uns auf eine unfahrbare Quad-Strecke geführt. Mit dem Wissen dass Hidalgo auch das geschafft hat, was kann uns dann der Labrador Hwy schon anhaben?

    Link zum Film: Quadstrecke für Hidalgo

    Die ersten 220 km führen auf perfektem Asphalt durch endlose Wälder. Rauf und runter, mal ein See, mal ein Fluss, es gefällt uns sehr. Beim Wasserkraftwerk Manic 5, eines der grössten der Welt, machen wir eine Führung mit und staunen über die Dimensionen. Vor allem das Wasser –Einzugsgebiet ist gigantisch. Auf einer Fläche grösser als Frankreich strömen sämtliche Gewässer zuerst in den grössten sichtbaren Meteoriten-Krater der Erde, das Réservoir Manicouaga und dann in den Stausee vor dem Kraftwerk mit 140 Milliarden m3 Wasser. Da ist im Vergleich der Zürichsee mit seinen 3,9 Milliarden m3 ein kleiner Tümpel Zwei weitere Wasserkraftwerke folgen auf dem TLH bis zum Atlantik und ein weiteres ist in Planung. Um die Werke zu bauen und zu versorgen wurde überhaupt dieser Highway gebaut. An Touristen aus der Schweiz, die hier wandern, fischen und campen wollen, hat leider niemand gedacht.

    1 km lang    Kratersee

    Mit km 600, davon ca. 150 km Rumpelpiste, erreichen wir das nicht besonders hübsche Hauptstädtchen Labradors, Labrador City. Für uns startet das Abenteuer eigentlich erst hier. Ab hier geht es über 1120 km ostwärts durch pure Wildnis. Bis Happy Valley Goose Bay soll es noch eine geteerte Strasse sein, danach nur noch Wellblech Schotter. Wir erwarten die endlose Tundra, riesige Nadelwälder, Elche, Karibus, Bären und in den Flüssen Lachse und Forellen. Sogar Franziska hat sich dafür eine Fischerlizenz gekauft. Als Höhepunkt aber möchten wir die Nordlichter am Nachthimmel sehen. Unsere Vorräte sind gefüllt bis oben hin. Wir stellen uns vor, ungefähr 2 Wochen in dieser Wildnis unterwegs zu sein.

    Trans Labrador Highway    einer der unzähligen Flüsse

    Thia, es hat nicht sollen sein. Bereits am 3. Abend sind wir schon in Cartwright am Atlantik angelangt, dem nördlichsten und östlichsten Punkt und ein 100 km Abstecher vom Highway. 2 Tage später verschiffen wir von Blanc Sablon nach Neufundland. Was ist passiert?

    Fliegenplize    Churchill Falls

    Entlang der ganzen Strecke wird eine neue Starkstromleitung gebaut. Gleich neben dem Highway reissen die Arbeiter eine 200 m breite Schneise in den Busch. Alle 500 m führt eine Zufahrtspiste zu dieser Schneise. Hunderte Baumaschinen und noch viel mehr Sattelschlepper kommen entgegen oder überholen uns. Der Staub bei trockener Strasse und der Gatsch, wenn es regnet, ist grauenhaft. Das absolut Schlimmste am ganzen Übel aber ist die Strasse selbst. Damit die LKWs nicht im Sumpf herum fahren müssen, wurde der gesamte Trans Labrador Highway wie ein Damm gebaut. Ja und um von diesem herunter zu kommen ist unmöglich. Links und rechts eine 2 m steile Böschung und gibt es einmal einen Weg, der weg von der Piste führen würde, wurde er mit Felsbrocken oder Dreckdämmen versperrt. Wegen dem Staub und dem Steinschlag der durchgeknallten Raser-Trucker kann man nicht auf dem Highway parkieren um angeln zu gehen. Selbst um ein Foto zu schiessen, muss man sich beeilen, bevor der nächste Laster die Gegend für Minuten in eine Staubwolke hüllt. Übernachtungsplätze zu finden kaum möglich. Natürlich sehen wir hier auch kein einziges Tier, ausser Myriaden von Black Flies, die uns beim Blaubeeren pflücken ganz schön in die Mangel nehmen. Die Landschaft wäre traumhaft schön und das Wetter wider Erwarten hochsommerlich, aber so…! Der Höhepunkt der ganzen Misere gipfelt sich in Cartwright, als wir uns schlau machen, wo man am besten Lachse fangen kann. Die Antwort!!! Das wird dir der Guide dann schon zeigen, denn Ausländer dürfen nur mit Guides fischen gehen. Sie würden sich sonst verlaufen im Busch. So gegen 250.- CAD würde der Guide nur kosten. ………………..! Irgendwie ist das Fass langsam voll!

    Baustelle    Der Grund für die Strasse

    Eingezäunt    Staubige Angelegenheit

    Zum Glück finden wir hinter dem Kaff direkt am Meer einen tollen Platz für die Nacht und zum Dessert gibt es kübelweise Blaubeeren. 300 Tage im Jahr kann man von hier aus die Nordlichter sehen. Nicht heute, es ist bewölkt. Nach Fish and Chips in Red Bay, einer kurzen Wanderung auf dem Tracey Hill und 2 Nächten im Pinware River Provincial Park holpern wir bei strömendem Regen der Küste entlang zum Hafen von Blanc Sablon und nehmen die Fähre rüber nach Neufundland, aber bitte schnell.

    Blaubeeren Schwemme    Blau- und Crowberries

    Neufundland, 30.8.- 18.9.2015

    Provinz Newfoundland and Labrador

    Was für ein Wechsel! Bei strahlendem Sonnenschein und 25° fahren wir direkt nach Ankunft im Hafen von St. Barbe gleich weiter zur nördlichsten Spitze dieser Insel. Auf dem Weg dort rauf sehen wir dutzende, ja hunderte traumhafte Möglichkeiten, wo wir uns einfach für die Nächte hinstellen könnten. Direkt am Meer oder ein paar Meter weg von den Strassen in einem Wäldchen, egal, es geht überall und ist offiziell erlaubt. So stehen wir für diese Nacht wohl an einem der spektakulärsten Plätze den man sich nur vorstellen kann.

    Cape Onion    Karibubulle

    Zu den Blaubeeren kommen jetzt noch die Crowberries (Krähenbeeren) dazu. Wir pflücken, pflücken ist eigentlich zu viel gesagt, wir streifen die glänzend schwarzen Kügelchen einfach Haufenweise von den Sträuchern, bis alle Schalen und Pfannen voll sind. Gemixt mit Himbeeren und Blaubeeren kocht Franziska Sirup und Gelee, dass wir lange Zeit dergleichen nicht mehr kaufen müssen. Es reicht sogar, um ein paar besondere Geschenke mit in die CH zu bringen. Normalerweise ist Vorratshaltung im Hidalgo nicht erlaubt. (Zuviel Gewicht!)

    Das gibt Sirup    Beerigelee

    Neufundland ist eine ganz spezielle Insel. Nicht nur ist sie für Geologen das, was Galapagos für Bio – und Zoologen ist, auch die Meteorologen hätten ihre Freude daran. Oder eben überhaupt nicht. Das Wetter macht hier auf extrem und ändert sich im Stundentakt. Gleich vor der Insel im Atlantik trifft der eiskalte Labrador Strom auf den noch warmen Golfstrom und beschert eine Wetterküche der Superlative. Wir sind so gut wie nie richtig angezogen. Herrliches Sommerwetter löst sich direkt mit einem eisigkalten Nordsturm ab. Der Wind, so meinen wir, kennt hier mehr als 4 Richtungen, er kommt auch von oben oder von unten. Den Nebel kann man mit dem Messer schneiden und plötzlich scheint wieder die Sonne. So haben wir Glück im Unglück. Wieder einmal hat eine Gummidichtung im Dachfenster das Zeitliche gesegnet und wir bekommen genau die Zeitspanne Sonnenschein, die das neue Fugenmaterial benötigt um abzutrocknen.

    So sehr es uns hier gefällt, die vier Hauptattraktionen von NFL haben wir leider verpasst. Da wären 1. die Eisberge, die bis Ende Sommer von Grönland her an der Ostküste vorbei ziehen und oft mit noch gigantischer Grösse in die Buchten treiben. Als 2. sind die meisten Wale bereits weitergezogen. Im Sommer sieht man diese in jeder Bucht herumtollen. Beim 3. geht es um die seltsamen Pinguinvögel, die Puffins. Es gibt da mehrere Felsen an der Küste, die von diesen putzigen Vögeln zur Brut benützt werden. Dafür haben wir im Cape St. Mary’s Ecological Reserve mehr als 11000 Paare der Northern Gannet mit flauschigen Jungen beobachten dürfen. Zum 4. kämen noch die Lachse und Forellen. Da ist die Saison auch schon vorbei und wenn es die überhaupt noch gibt, verleiden einem die ganzen Regulationen und Kosten den Appetit nach Fisch.

    Basstölpel    Northern Gannet

    Dies trübt aber unsere Stimmung (vorläufig) nicht allzu arg, da wir ja alles schon mehrmals gesehen haben. Dafür machen wir herrliche Wanderungen. Schon in Labrador City haben wir für diese Doppelprovinz Labrador und Neufundland einen Hochglanzkatalog mit allen Sehenswürdigkeiten bekommen. Dort gibt es ein Bild einer Wanderung im Nationalpark Gros Morne. Dieses Bild haut uns um und dort wollen wir auf jeden Fall hin. Im NP, der jeden Tag pro Person 8 CAD kostet, erfahren wir dann, dass man dorthin nur mit einem Guide hindarf. Die Touristen würden sich dort immer nur verlaufen. Der Guide kostet natürlich wieder über 250.-CAD. Felix kann sich nun wirklich nicht mehr beherrschen, wird laut und zweifelt die Intelligenz der kanadischen Wanderer aufs Gröbste an. Was natürlich überhaupt nichts nützt. Im Gegenteil, ein kanadischer Mithörer aus Toronto meint, wir sollen doch nach Hause gehen, wir Kanadier sind nicht doof.

    Wieder beruhigt erklimmen wir bei tollstem Wetter als Ersatz dafür den zweithöchsten Berg der Insel und werden mit beinahe demselben Panorama belohnt wie im Prospekt.

    Prospekt Wanderung    Gros Morne Wanderung

    Langsam und gemütlich ziehen wir um die ganze Insel, fahren in jeden der vielen Finger und erfreuen uns schlicht der faszinierenden Landschaft. Sandbuchten, felsige Steilküsten, undurchdringliche Wälder, Tundra, die sich bis zur Küste erstreckt und Beeren übersäte Matten, überall mit tollen Trails zu bekunden. Einige Elche, einen Schwarzbären, ein grosser Karibubulle und sogar ein Wolf kommen zur Gesehen – Liste dazu.

    Cape St. George    Ziemlich nahe

    Die Inselbewohner sind ein aufgestelltes, hilfsbereites und extrem freundliches Völkchen, wir haben überall sofort Kontakt und werden auch mit Fisch beschenkt. Das ist leider die einzige Möglichkeit zu frischem Fisch zu kommen. Schon seit 1992 ist der kommerzielle Fischfang eingestellt worden, weil es in den einst besten Fanggründen der Welt schlicht keine Fische mehr gibt. Der westliche Nordatlantik ist wegen der langzeitlichen pausenlosen Überfischung ein toter Ozean geworden. Nun hoffen die Inselmenschen, dass ihr früheres Gold aus dem Meer, der Kabeljau langsam wieder zurückkommt. Bis dahin steht die Fischerboot Flotte vermutlich noch lange auf dem Trockendock. Das Einzige, das wir an der Angel hatten, waren 3 schmackhafte Hechte in Labrador. Wie lange geht es wohl noch, bis es auf der ganzen Welt keine Fische mehr gibt?

    St.John's    Nix mit Fischen

    Im Ganzen ist Neufundland auf jeden Fall eine Reise wert. Irgendwann werden wir hier wohl einen ganzen Sommer verbringen müssen, um das Versäumte nachzuholen. Vorerst geht es jetzt aber mit einer 6 stündigen Überfahrt zurück aufs Festland, nach Nova Scotia unserer letzten Destination dieser Reise.

    Inuit Wegzeichen

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