• 19. April. 2010 /  Europa, Rumänien

    100 schrecklich holperige km über das Ludogorskoplato mit endlosen Äckern, Feldern und ärmlichen Dörfer, die schöne blaue, (graue) Donau. Im Eilzugtempo durch den äusserst freundlichen Zoll zur kleinen Wackelfähre, die uns für 10 Euro nach Rumänien bringt. Die Fähre deshalb, da es nur eine Brücke von Land zu Land gibt, und die ist weit entfernt. Noch schnell einen Sack voll Banknoten aus dem Automaten lassen und eine Schlafstelle suchen, was hier gar nicht so einfach ist. In einem kleinen Kaff direkt am Fluss finden wir hinter dem Polizeiposten bei einer riesen Sau im Pferch einen ruhiges Plätzchen. Dachten wir: Der Polizeihund, eine Trottoirmischung, kläfft fast die ganze Nacht.

     

    Dafür campen wir die nächste Nacht im Wald und haben das Gefühl, mitten in einer Volliere zu stehen. Wir hören und sehen zig verschiedene Federviechs. Aufzählung folgt. Nach einer regnerischen Nacht geht’s über Babadag ins Delta, wo wir schon nach kurzer Zeit einen Mega Platz finden, um zu bleiben und auf die Pirsch zu gehen. Zuerst werden wir aber noch von 3 plötzlich auftauchenden Polizisten gecheckt und unsere IDs werden registriert. Bürokratie mitten im Nichts, jedoch sehr freundlich, und wir haben die offizielle Erlaubnis hier zu stehen.

     

    Die Pirsch danach wird zu einem richtigen Erlebnis. (Unsere Kamera kann tauchen und sich auf Steine fallen lassen, aber leider kann sie Objekte kaum näher zoomen.) Ausser einer Steilküste mit griechischen Ruinen sehen wir: Fasane, Wiedehopfs, Kormorane, Eichelhäher, Spechte, Wiesel, verschiedene Reiher, Schlangen, Donaumurmeltier?, unendlich viele Frösche und schneiden zwischendurch noch unser Abendessen: Berge von wildem Spargel. Aromatischer und zarter als alles Gespargelte zuvor. Dann sind da noch die Myriaden von Mantschmücken. Felix gibt ihnen diesen Namen, da sie bloss berührt  gleich zu Mantsch werden. Alles ist voller Mantsch, Kamera, Taschen, Brillen ja bis in die Stiefel. Trotzdem wunderschön und wir sind wie meistens völlig allein.

     

    Sergej Conrad in 3. Generation Fischer und neu Tourguide im Donaudelta schippert uns am nächsten Tag stundenland durch diese wunderschöne Land- und Wasserschaft. Von Murighiol geht es via Hauptkanal durch engste Wasserläufe, durchs Schilf über Seen bis wir weder sitzen noch gucken können. Er kennt alles und alle. So kommt es immer wieder mitten auf dem Fluss zu einem Schwatz mit Fischern, einem Schluck Wein aus der Petflasche und einem Fischgeschenk. Zu unseren gesehenen Tieren kommen heute noch Pelikan (jupiduhh!), Löffler, Ibisse, Eisvögel, Schlangen usw. dazu. Erstaunlich, was für eine überwältigende Natur es in Europa noch gibt. Doch was heisst hier Europa. Wir tuckern immerhin an der ukrainischen Grenze entlang und das war vor nicht allzu langer Zeit Russland.

     

    Was die ganze Geschichte noch spannender machte: Sergej spricht französisch, er hat vor 20 Jahren kurz in Lausanne gearbeitet. So erzählt er uns von alten Zeiten, als er mit seinem Vater und Grossvater als Kind im Sommer in der weit vom Dorf entfernten Fischergemeinschaft gearbeitet hat. Voller Stolz zeigt er uns das inzwischen verfallene Kooperationsgebäude und singt auch noch eine alte Weise. Jetzt würde ihm nur noch der Wodka fehlen. Dann sehen wir noch das Eishaus. Wir glauben es kaum, aber die ganzen Gewässer um uns herum sind jeden Winter meterdick gefroren. Das haben sich die Fischer früher zu Nutze gemacht. Zur kältesten Zeit sind die harten Männer für Tage aufs Eis, haben dicke Würfel daraus gesägt und im Eishaus  mit Lehm, Erde und  viel Schilf bedeckt. So hatten sie für den ganzen nächsten Sommer genug Eis, um die gefangenen Fische zu lagern, bevor sie in der Stadt verkauft wurden. Wirklich erstaunlich da hier Sommertemperaturen von über 35° herrschen können. Mit der Fahrt von Tulcea nach Smardan der Donau entlang und anschliessender Übersetzung bei Braila beenden wir unsere Zeit im grössten Delta von Europa.