• 17. September. 2012 /  Kolumbien, Südamerika

    Das Zentralland und eine Zwangspause, 13.8. – 17.9.2012

    Zwei Tage nachdem Petra und Klaus uns leider südwärts verlassen haben, wollen wir uns morgens um 7.00 Uhr ins Herz von Kolumbien aufmachen. Zündung rein, Hidalgo macht keinen Wank.

    Vor 2 Wochen, in vorderster Front auf einer kleinen Flussfähre haben wir das schon einmal erlebt. Ein Bagger musste uns anschieben. Bei Toyota in Neiva finden sie nichts. Ok, kann ja  mal vorkommen. Die Tage in der Wüste hatten wir 0 problemo, bis jetzt. Was kann das bloss sein? Die Batterie ist i. O. Der Anlasser? Die Lichtmaschine? Oder ??????

    Wir bauen den Anlasser aus und lassen ihn revidieren. Hiddy startet perfekt, und wir fahren via Medellín zum Stausee El Peñol, in den kleinen Ort Guatapé. Die Millionenmetropole Medellín lassen wir rechts liegen. Nicht weil sie das Zentrum der Drogenmaffia und Heimatstadt von Pablo Escobar, dem legendären Boss des Medellín-Kartells ist, sondern schlicht weil sie uns nicht gefällt.

    Der Stausee El Peñol bedeckt die zerklüfteten Täler um Guatapé und liess eine künstliche Landschaft entstehen mit vielen Inseln und Halbinseln, auf denen wohlhabende Kolumbianer ihr Feriendomizil haben. Mittendrin erhebt sich ein 200 m hoher Felsmonolith, den wir über 740 Stufen erklimmen und die gigantische Aussicht geniessen.

    Auf dem Camping in Guatapé, wo wir direkt am See stehen, werden wir von der Besitzerin informiert, dass dieses Wochenende ein Festtag ist und der Ort von Touristen überflutet werden wird. Ups, das bedeutet, hier wird es laut. Sehr laut! Wir packen zusammen und fliehen Richtung Osten in den Dschungel zum Río Claro. Herrlich, wir finden einen wunderschönen Campingplatz direkt am lauwarmen Fluss und freuen uns, beinahe alleine hier zu sein. Es ist erst 10.00 Uhr morgens. Was wir nicht ahnen, die Anfahrtszeit von Bogotá und Medellín hierher dauert 5 Stunden und ab 12 Uhr füllt sich auch hier der Zeltplatz in furchterregendem Masse. Am Abend stehen wir eingeklemmt in Hunderten von Autos. Von der riesigen Campingwiese sehen wir keinen Flecken mehr, es steht ein Zelt am anderen. Südamerika live, mit allem was so dazu gehört: Feuer, Rauch, Lärm und laute Musik. Und in jedem parkierten Auto geht mindestens einmal pro Nacht die Alarmanlage grundlos ab. Da wir wissen, dass dies die ganze Nacht dauern wird, wollen wir tiefer in den Dschungel fahren und uns bis Montag dort verschanzen. Hidalgo hat jedoch keine Lust und startet schon wieder nicht. So müssen wir wohl oder übel bleiben und arrangieren uns mit langen Expeditionen und Flussrafting auf  LKW-Schläuchen in diesem herrlichen Río. Wir klettern stundenlang in grosser Hitze flussaufwärts, um uns dann langsam über Stromschnellen hinunter treiben zu lassen.

    Wie sie gekommen, so gehen sie wieder und plötzlich stehen wir wieder ganz alleine in absoluter Stille. Wouw!!!

    Jetzt müssen wir das Problem von Hidalgo lösen, er macht wieder keinen Wank mehr. Beim Ausmessen der Starterbatterie mit verschiedenen Belastungen stellt sich heraus, sie ist tot. Also mit dem Bus ins nächste Kaff um eine Neue zu holen, und… ER STARTET perfekt.

    Eine halbe Tagesetappe weiter, ganz in der Nähe der Hauptstadt Bogotá besuchen wir die berühmte Salzkathedrale in Zipaquirá. 1 km tief im Berg haben die Salzmineure in den ausgebrochenen Stollen die grösste unterirdische Kirche mit Kreuzgang gebaut. Mit vielfarbigen LEDs beleuchtet, sieht das ganze sehr künstlich aber auch spektakulär aus.

    Als wir nach Stunden wieder zurück beim Auto sind, stellen mit grossem Schreck fest, dass die neue Batterie bereits wieder halb leer ist. Also müssen wir irgendwo einen verborgenen Stromfresser haben. Wir fahren noch weiter bis ins alte Kolonialstädtchen Villa de Leyva. Wir wissen von einem hübschen Hostal mit guter Infrastruktur. Hier wollen wir uns dem Elektroproblem annehmen. Mit Hilfe von Tartaruga (vielen Dank dorthin) und einem örtlichen Autoelektriker finden wir endlich den Übeltäter. Das Verbindungsrelais der Starter- und Bordbatterie ist defekt. Glühend heiss öffnet es sich nur noch in eine Richtung und die Erhitzung leert die Batterie. Vom Hersteller in den USA bestellen wir sofort ein neues Relais und haben nun hier viel Zeit, um auf das Paket zu warten. 6 – 10 Tage sind mindestens angesagt.

    Diese aufgezwungene Reisepause kommt uns ganz gelegen. Unser Standort ist genial. Über dem Dorf mit Aussicht in die Täler stehen wir mit Strom, WIFI in der Kabine, externer Küche, Pizzaofen und Grill, und vielen anderen Travellern im Garten des Hostals Renacer. Wir haben viel Zeit für die weitere Planung unserer Reise, vor allem aber für die Organisation der Verschiffung von Kolumbien nach Panama.

    Oder wir erklimmen den 3000er hinter dem Hostal. Da es keinen Pfad hinauf gibt, geht Felix tags zuvor schon mal mit der Machete los und sucht und schlägt ein Durchkommen über den Bach. Von unten gesehen werden wir uns durch knöcheltiefes Grünzeug mit Steinblöcken bewegen. Da noch niemand hier diesen Berg bestiegen hat, gibt es auch keine Infos. So gehen wir vor Sonnenaufgang los ins Ungewisse. Über 4 Stunden brauchen wir für diese 1000 m Höhenunterschied. Das Grünzeug, vor allem Farne und Dornenstauden reichen uns oft über die Köpfe hinaus und es entwickelt sich ein richtig gehender Kampf mit der Natur. Kurz unterhalb des Gipfels müssen wir aufgeben, da es kein Durchkommen mehr gibt und wir müssen die ganze … ja wieder zurück. Die Aussicht aber war der Hammer und trotz aufgerissener Arme und Beine hatten wir Spass, Spass dass wir es geschafft haben.

    Auch das Städtchen Villa de Leyva bietet viel. Auf der grossen Plaza läuft immer was. Vom Filmfestival über einen Drachenflugwettbewerb bis hin zu Beerdigungen. Wir sitzen in der Dorfkneipe, nuckeln an einem Tintico (Espresso) und lassen unsere Blicke schweifen. Wir finden sogar ein Geschäft, das Schweizer Kalbsbratwurst verkauft. Jeee.

    Oder wir radeln zum 8 m langen, versteinerten, extrem seltenen Meeressaurier. Dann bäckt Franziska für die ganzen Rucksacktouris wieder einmal perfekte Pizzas und verbringt viel Zeit am PC. Wir wollen unseren Reiseblog überarbeiten, um für uns daraus ein Buch zu bestellen.

    11 Tage dauert es schlussendlich, bis das ersehnte Packet in Bogotá eintrifft. Wir packen unseren Rucksack und fahren mit dem Bus in die 10 Millionen Hauptstadt. Busfahren ist hier wie überall in Südamerika kinderleicht. Man geht zum Busterminal, den es in jedem Dorf gibt und flüstert nur den Zielort vor sich hin. Sofort ist man umringt von vielen Ortschaften schreienden Männern, die für jeden angeschleppten Fahrgast eine Provision bekommen. Die Verbindungen mit 2 maligem umsteigen sind hervorragend und schon 4 Stunden später sind wir im Zentrum von Bogotá. Mit ihrer riesigen Ausdehnung von 45 km x 25 km liegt diese Stadt auf 2600 müM, 200 m höher als der Säntis. Dementsprechend richtig kalt ist es hier und wir fühlen uns nicht wie in einem Land in den Tropen.

    Das wohl interessanteste Highlight und der grösste Touristenmagnet ist das Goldmuseum. Mit über 35‘000  Gold-, Silber- und Platinexponaten. Doch es ist nur ein Bruchteil der tatsächlich von den indigenen Völkern hergestellten Artefakte, die ja überwiegend von den spanischen Eroberern zu Barren geschmolzen, nach Europa transportiert und damit unweigerlich vernichtet wurden.

    Kreuz und quer ziehen wir wieder einmal zu Fuss durch das lebendige, farbenprächtige Gewusel der Strassen und Gassen und selten haben wir so extreme Unterschiede von stinkreich bis grottenarm gesehen. Man sollte sich aber besser nur im Zentrum aufhalten, da Bogotá nach wie vor die Mordhauptstadt Nr. 1 ist. Im Norden wohnen die Reichen; je weiter man nach Süden kommt, desto dünner die Geldbeutel der Bewohner, desto mehr Verzweiflung und Gewalt. Das schlimmste Viertel El Cartucho, ein Hort von Klebstoffschnüffelei, Obdachlosen und Mord, wurde kurzerhand durch Bulldozer platt gemacht und zu einem Park umgestaltet. Die Menschen aber haben sich nicht in Luft aufgelöst, sie streifen jetzt durch die Innenstadt.

    Nach einer kalten Nacht, eine Heizung kennt man hier nicht, in einem schrecklichen Bett des Hostal Platybus, fahren wir noch mit einer Schweizer Standseilbahn der Firma von Roll auf den 3150 m hohen Cerro de Montserrate. Hier bekommt man eine Ahnung von den gigantischen Ausmassen dieser Ciudad, und dank der frischen Brise ist auch die Smogglocke, offenbar eine der schlimmsten der Welt, vom Winde verweht.

    Ach ja,… da hat doch der Typ an der Kasse vom Goldmuseum Felix gefragt, ob er schon über 60 ist. Der hat ja gesagt und ist gratis hinein gekommen. Findet er das nun gut oder WASSS!!!

    Zurück in Villa de Leyva wird das Relais montiert, Propangas gebunkert, Wäsche gewaschen und Hiddy geputzt. Die Zwangspause ist zu Ende und wir freuen uns auf die Karibikküste.

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